Employer Branding: 10 Fragen an Stefan Scheller
Wir fragen, HR-Experten antworten. Eine Experten-Interview-Serie, die Antworten auf Ihre HR-Fragen liefert. Wir stellen 10 Fragen zu einem Themenbereich aus HR und liefern Ihnen geballtes Insider-Wissen für die Praxis.
Der Begriff des Employer Brandings ist in letzter Zeit immer mehr in den Vordergrund gerückt. Um qualifizierte Kandidaten auf sich aufmerksam zu machen, müssen sich Unternehmen heutzutage frühzeitig durch die eigene Marke als attraktiver Arbeitgeber von den anderen abheben.
Was sind die Tipps & Tricks, die Unternehmen helfen können, in der aktuellen Situation Talente von ihrer Arbeitgebermarke zu überzeugen und dann im Unternehmen zu halten?
Wir haben ein Interview mit Persoblogger Stefan Scheller, einem Experten auf dem Gebiet Employer Branding, geführt und sind diesen Fragen auf den Grund gegangen.
Inhalt
1. Multikrisen und Employer Branding
2. Fachkräftemangel: Potenziale für Employer Branding
3. Wie können Arbeitgeber die Generationen Y & Z überzeugen?
5. Typische Denkfehler im Employer Branding
6. Welche Unternehmen machen einen guten Job im Employer Branding?
7. Employer Branding für KMU mit kleinem Budget
8. Wie können Unternehmen ihre Mitarbeiter in das Employer Branding einbeziehen?
9. Häufige Überraschungen, die Stefan Scheller erlebt hat
10. Der wichtigste Employer-Branding-Trend in den nächsten 3 Jahren
Lieber Stefan, lass uns gleich mit ein paar aktuellen Themen starten. Gerade passiert ja so einiges, das die HR-Welt betrifft und viele unserer Leser suchen aktuell nach Lösungen, um sich schnell an neue Situationen anzupassen.
Pandemie, Krieg, Inflation und Rezession – viele Unsicherheiten prägen gerade unsere Arbeitswelt.
Bleibt dabei das Employer Branding bei vielen Unternehmen zunächst auf der Strecke?
Stefan Scheller: Es kommt darauf an, was man unter Employer Branding versteht. Letztlich „passiert“ immer Employer Branding. Der Prozess der „Arbeitgebermarkenbildung“ kann aber bewusst und vergleichsweise systematisch erfolgen oder eben komplett ungesteuert. Nach meinem Verständnis ist jetzt gerade eine Zeit, in der extrem viel Employer Branding vonstattengeht. Denn die Multikrisen halten uns maximal in Atem und Arbeitgeber zeigen, wie sie damit umgehen.
So haben wir bei meinem Arbeitgeber DATEV beispielsweise gerade während der Corona-Zeit ein Allzeit-Hoch im Arbeitgeberimage erfahren, weil das Unternehmen herausragend gut reagiert hat. Oder auch das volle Ausschöpfen des gesetzlichen Rahmens bei der Inflationsausgleichsprämie kann deutliche Zeichen setzen, wie wichtig ein Unternehmen seine Mitarbeitenden nimmt.
Mir gefällt diese „natürliche Art“ des Employer Brandings viel besser als die häufig etwas „leblos“ aufgesetzten Personalmarketing-Kampagnen.
Eine weitere Herausforderung, der aktuell viele Unternehmen gegenüberstehen, ist der Fachkräftemangel und der „War for Talent”.
Welche Potenziale siehst du hier im Employer Branding?
Stefan Scheller: Naja, vermutlich wird durch die immer deutlicher spürbare Wende am Arbeitsmarkt hin zum Arbeitnehmermarkt allen klar, was es bedeutet, eine starke Arbeitgebermarke zu haben, sich zu positionieren, bzw. sich zu unterscheiden von anderen Arbeitgebern. Branding kommt ja von Brandzeichen zwecks Unterscheidbarkeit.
Wenn sich heute Jobsuchende Arbeitgeber immer stärker aussuchen können, dann müssen Unternehmen die Frage „Warum sollte ich zu Euch kommen?“ beantworten. Ich erinnere mich noch an die Zeit vor 10 Jahren, als eine Standardfrage im Vorstellungsgespräch umgekehrt lautete: „Warum wollen Sie bei uns arbeiten?“. Ein deutliches Zeichen für eine vielzitierte Zeitenwende.
Heutzutage bestimmen die Arbeitnehmer eigenständig, welchen Firmen sie ihre Zeit und Skills zur Verfügung stellen. Mitarbeiter-Benefits allein reichen längst nicht mehr aus, um besonders junge Talente von einem Arbeitgeber zu überzeugen.
Was macht die Generationen Y & Z aus? Welche Erwartungshaltung haben sie an ihren Arbeitgeber?
Stefan Scheller: Lassen wir mal die Begrifflichkeiten der Generationen außen vor, denn hier sind die Anforderungen auch innerhalb dieser vermeintlichen Gruppen sehr heterogen. Besser gefällt mir der Gedanke einer sog. Lebensphasen-orientierten Personalstrategie. Dieser schaut weniger auf den Generationsbegriff als auf die jeweiligen Bedürfnisse, die in unterschiedlichen Lebensphasen aktueller werden. Solche Lebensphasen sind z. B. Berufseinstieg und erste Berufserfahrung, Karriere als Professional, Elternwerden und Elternsein, Berufsausstieg usw.
Betrachten wir also die Bedürfnisse von (meist jungen) Berufseinsteigenden, so wird hier neben den Verdienstmöglichkeiten das Thema Arbeitsplatzsicherheit häufig genannt, ebenso wie Entwicklungsperspektiven, Feedback und eine sinnstiftende Arbeit. Dabei ist den meisten durchaus bewusst, dass sie es sich deutlich stärker aussuchen können, wo sie sich einbringen, als das Berufseinsteigenden vor 20 Jahren bewusst war. Und daher sind sie in der Regel auch wesentlich wechselbereiter.
Wie schaffen es Unternehmen Mitarbeiter der Generation Z erfolgreich für sich zu gewinnen und dann auch an das Unternehmen zu binden?
Was wäre hier Dein wichtigster Tipp für Arbeitgeber?
Stefan Scheller: Ganz ehrlich: Ich bin mir gar nicht sicher, ob Mitarbeiterbindung noch das eigentliche Ziel sein sollte oder kann. Natürlich ist es gut, wenn Menschen längerfristig in einer Organisation aktiv sind und dort wachsen können. Aber bis zu einem gewissen Grad müssen Unternehmen sich darauf einstellen, dass die Fluktuationsrate steigen wird. Dass die Zyklen zwischen Einstellung und Kündigung (und ggf. sogar Rückkehr) kürzer werden.
Mein wichtigster Tipp: Wertschätzendes Verhalten durch Arbeitgeber. Und das sollte sich eben durchgängig zeigen an Dingen wie Bezahlung, menschenorientierter Unternehmenskultur, offenen Feedbackmöglichkeiten, persönlichen Wachstumschancen sowie ähnlichen Indizien, anhand derer Wertschätzung sichtbar werden kann.
„Vergiss alles, was du bisher über Employer Branding gelernt hast“. Das hast Du einmal in einem Interview gesagt und Dich dann auf eine zu starke Fixierung auf theoretische Grundlagen bezogen.
Was sind typische Denkfehler im Employer Branding?
Stefan Scheller: Ja, davon bin ich noch immer überzeugt. Die Kraft, die vom Verhalten der Mitarbeitenden selbst ausgeht, hat noch jede Employer Branding Kampagne (und sei sie mit noch so vielen Awards gekrönt) in ihrer langfristigen Wirkung übertönt.
Und immer wieder zeigt sich, dass eben jene „als Employer Branding Kampagnen“ gedachten Maßnahmen sicher dafür gut sind, um mal Aufmerksamkeit im Markt zu erzeugen. Allerdings kenne ich bis heute keine einzige Arbeitgebermarken-Positionierung im Markt, bei der ich auch genau das in der Praxis vorfinde.
Es wird immer pauschaliert und geredet „vom Unternehmen“, „der Unternehmenskultur“ usw. Aber beim Blick auf die Realität und beim Befragen von Menschen, sieht die Welt dann doch immer „bunter“ aus. Mit diesem Wissen sollten also die Mitarbeitenden von vornherein viel stärker im Fokus beim Employer Branding stehen, als nur als Foto-Model im Rahmen einer Personalmarketing-Kampagne.
Welche drei Unternehmen machen aus Deiner Sicht einen guten Job im Bereich Employer Branding?
Stefan Scheller: Da bin ich sehr zurückhaltend. Denn was wir häufig sehen, sind Kampagnen, die von HR-Menschen oder irgendwelchen Dritten prämiert oder von Unternehmen über die Medien gespielt und vermarktet werden. Ganz oft frage ich mich da, ob die angesprochenen Zielgruppen diese Kampagne tatsächlich auch so überragend finden und sich vor allem auch bewerben – und habe dann schnell große Zweifel. Genauso, ob das alles im Alltag tatsächlich so gelebt wird.
Employer Branding ist eher eine Langzeit-Aufgabe, die nachhaltig wirken muss. Und da kenne ich – obwohl ich ja relativ stark mit der HR-Welt verwoben bin – tatsächlich keine Employer Brand, die ich benennen könnte und die ich auch tatsächlich so erlebe. Aber ich bin ja auch in den wenigsten Fällen Teil der gesuchten Zielgruppe.
Jetzt hätten wir gern noch ein paar Tipps für KMUs, die beim Employer Branding mit einem kleinen Budget zurechtkommen müssen.
Wenn ein Unternehmen nur eine Sache tun könnte und nichts anderes, um sein Employer Branding zu verbessern, was wäre das?
Stefan Scheller: Nur eine Sache? Nachdem ich der Ansicht bin, dass es einen solchen Million-Dollar-Tipp, der für alle KMU ultimativ wirksam ist, nicht gibt, ist das ganz schön knifflig. Wenn ich mich aber tatsächlich entscheiden müsste, würde ich sagen: Schickt Eure Mitarbeitenden alle raus auf Veranstaltungen, Weiterbildungen und sonstige Events, damit sie mit fachlich „Ihresgleichen“ aus anderen Unternehmen zusammenkommen. Vom eigenen Arbeitgeber begeisterte oder zumindest überzeugte Beschäftigte werden diese Chance auch als Markenbotschafter nutzen. Davon bin ich fest überzeugt, weil ich in der Praxis genau das so oft erlebt habe.
Wie können Unternehmen ihre Mitarbeiter in den Employer-Branding-Prozess einbeziehen und welche Vorteile hat das für die Arbeitgebermarke?
Stefan Scheller: Ich denke, dass bereits klar geworden ist, dass dies mein wichtigstes Plädoyer ist: Der Einbezug ist nicht nur ein Vorteil, sondern eigentlich der einzige Weg, um Employer Branding außerhalb von künstlichen Kampagnen zu betreiben. Das kann (und sollte) HR nicht alleine machen. Und schon gar nicht Marketing oder PR. Wenn, dann alles zusammen – vor allem gemeinsam mit den Mitarbeitenden.
Nur ein Beispiel dazu: Wenn Du heute Schüler als Azubis gewinnen möchtest, dann kommst du vermutlich um die Nutzung von Social Media Kanälen wie Instagram, TikTok oder Twitch nicht herum. Es wäre aber doch (in den allermeisten Fällen) fatal, wenn jemand anderes im Unternehmen außer den Azubis TikToks für Azubis erstellen sollte. Also ich würde da in jedem Fall komplett daneben liegen – da muss ich mir nur anschauen, was mein 13-jähriger Sohn via TikTok konsumiert. Das ist mit meiner Welt nur wenig anschlussfähig. Ich kann das zwar wertschätzen und akzeptieren – aber sicherlich nicht in gleichem Maße selbst produzieren.
Das bedeutet: Lasst die jeweiligen Zielgruppen selbst ran bei der Content-Produktion bzw. bei der Ansprache von potenziell neuen Mitarbeitenden! Dann ist übrigens auch meist die notwendige Augenhöhe sofort gegeben.
Stefan, was überrascht Dich regelmäßig am häufigsten, wenn Du bei Unternehmen in die Beratung startest?
Stefan Scheller: Andere Unternehmen als meinen Arbeitgeber berate ich ja nicht systematisch. Ich bin meist im Rahmen einer Keynote oder für einen Workshop gebucht. Dort arbeiten wir dann intensiv (auch im Vorfeld) und ich erhalte viele Einblicke. Insofern weiß ich zwar viel über andere Unternehmen, bin aber alles andere als ein klassischer Berater. Ich bin Vollblut-Praktiker.
Was mich aber tatsächlich häufig überrascht – auch wenn ich es eigentlich längst wissen müsste – ist, dass es in vielen, v.a. kleineren Unternehmen, an tiefgreifendem HR-Wissen mangelt. Insbesondere, wenn es um Themen wie Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting geht.
Das ist übrigens einer der Gründe, warum wir auf meinem HR-Portal Mitte April den sogenannten PERSOBLOGGER CLUB starten und uns noch stärker in Richtung „Lernplattform plus X“ entwickeln.
Lass uns zum Abschluss noch in die Glaskugel schauen:
Was ist Deiner Meinung nach der wichtigste Trend in den nächsten 3 Jahren, den Arbeitgeber im Employer Branding nicht verpassen dürfen?
Stefan Scheller: Ich mag da ungern von einem Trend reden. Denn wenn es „nur“ ein Trend ist, geht er ja auch wieder vorbei. Mir wäre wichtiger, dass sich Unternehmen eher von Trends lösen und eine langfristige Strategie im Markenaufbau verfolgen, die auf dem intensiven Einbezug der Mitarbeitenden sowie ehrlicher, authentischer und wertschätzender Kommunikation mit der Welt (online und offline) basiert.
Über PERSOBLOGGER Stefan Scheller:
Stefan ist HR-Praktiker und Gründer von PERSOBLOGGER.DE, einer der bekanntesten deutschsprachigen HR-Websites. Auf der Plattform sind aktuelle Fachinformationen, Studien und Infografiken zum Download, ein Eventkalender sowie eine Jobbörse kosten- und anmeldefrei zugänglich. Neben Übersichten rund um die HR-Szene, werden relevante HR-Dienstleister im Anbieterverzeichnis sowie spannende Startups präsentiert. Ab Mitte April 2023 entwickelt sich die Plattform weiter in Richtung Lern-Plattform mit dem PERSOBLOGGER CLUB und Online-Live-Sessions.

Außerdem ist Stefan Scheller mehrfacher Buchautor und Keynote-Speaker und hat seinen eigenen Podcast, Klartext HR. Sein praktisches Wissen bezieht er aus seiner Rolle in der Arbeitgeberkommunikation der DATEV eG in Nürnberg.
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Bildquelle: „Mitarbeiterselfie“ ©Kar-Tr – istockphoto.com, „Zwei Frauen im Gespräch“ ©Wavebreakmedia – istockphoto.com, „Bewerbungsgespräch zwischen Männer“ ©monkeybusinessimages – istockphoto.com
- Kategorie: Recruiting, Employer Branding, Experten-Interviews
- 19. April 2023
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