Gehaltstransparenz gewinnt an Bedeutung
Gehaltstransparenz widerstrebt in Deutschland eigentlich allem, was wir in den letzten Jahrzehnten in unseren Unternehmen und vor allem in unseren Personalabteilungen praktiziert haben. Es ist Teil unserer Kultur: Über Geld spricht man nicht! Nichtsdestotrotz ist eine Diskussion über Gehaltstransparenz oder Lohntransparenz in Zeiten, in denen Equal Gender Pay und das Entgelttransparenzgesetz in den Vordergrund rücken, durchaus begründbar.
Aber, haben wir als Arbeitgeber nicht gerade in den letzten Jahren den Datenschutz im Hinblick auf personenbezogene Daten noch stärker in den Fokus rücken müssen? Mitte 2018 wurde die Datenschutz–Grundverordnung (DSGVO) europaweit ins Leben gerufen, mit derart drastischen Strafen, dass sich heute Arbeitgeber nicht so einfach trauen, Gehaltstransparenz im Betrieb einzuführen oder zu leben.
Andere Länder – andere Sitten. In Schweden und Norwegen wird Gehaltstransparenz im ganzen Land in allen Unternehmen und Behörden gelebt. Individuelle Steuerzahlungen sind seit vielen Jahren öffentlich. Dort weiß jeder Mitarbeiter*in, was die Kolleg*innen, der Chef*in oder auch der Nachbar*in verdient.
Für andere Länder ist das kaum vorstellbar. Eine Personalabteilung in einem deutschen mittelständischen Unternehmen wird doch nicht die Gehälter der Belegschaft offenlegen. Das erste, was Personaler in unseren Unternehmen lernen, ist Datenschutz! Das zweite Dokument, dass sie nach dem Arbeitsvertrag unterschreiben ist eine Verpflichtungserklärung zur Verschwiegenheit. Beispielsweise im japanischen Kulturkreis ist es bis heute so, dass häufig nicht einmal der Ehepartner*in das Gehalt des Partners kennt. Das sind kulturelle Gegebenheiten, die schwer zu ändern sind.
Was ist Gehaltstransparenz?
Wenn wir in unserem Kulturkreis über Gehaltstransparenz sprechen, dann meinen wir, dass alle Individuen einer geschlossenen Organisation (Unternehmen, Betrieb) die Gehaltsbezüge des jeweils anderen Individuums kennen oder leicht erfahren können. Wir würden in deutschen Unternehmen im Hinblick auf Gehaltstransparenz nicht so weit gehen, dass Menschen und Betriebe außerhalb unserer Organisationen, also auch unsere Wettbewerber, die Gehälter unserer Mitarbeiter*innen kennen.
Es ist anders gemeint, wenn Zeitschriften oder Unternehmensberatungen beispielsweise die Gehälter von Ärzt*innen offenlegen. In diesen Fällen werden Durchschnittsgehälter einer Jobgruppe gezeigt und das ist eine ganz andere Qualität, wenn in einem Betrieb Karl Müller das Gehalt von Heinz Meier kennt.
Gehaltstransparenz im Unternehmen schaffen

Gehaltstransparenz im Unternehmen kann gut gelebt werden, wenn das Unternehmen tarifgebunden ist und der Gehaltstarifvertrag öffentlich zugänglich ist. Mit einer begrenzten Menge an eingruppierten Jobs und der Kenntnis der Mitarbeiter*innen, wer welcher Gruppe zugeordnet wird, kann der Arbeitgeber leicht Gehaltstransparenz für das eigene Unternehmen schaffen.
Ist das Unternehmen nicht tarifgebunden, dann ist Gehaltstransparenz ungleich schwieriger in der Realisierung. Besteht ein Betriebsrat im Unternehmen, so ist er in eine Entscheidung zur Offenlegung der Gehaltsstrukturen im Betrieb mit einzubeziehen. Auch eine individuelle schriftliche Zustimmung der Angestellten sollte erfolgen.
Der Arbeitgeber sollte trotz der Vorbereitung nicht einzelne Gehälter intern veröffentlichen, sondern Gehaltsbänder von Jobgruppen, denn das reicht auch, um das nötige Vertrauen der Mitarbeiterschaft im Bereich Equal Pay zu schaffen. Die Offenlegung von Gehaltsbändern kann auch ein Weg sein, Transparenz trotz strenger Datenschutzregeln zu schaffen.
Solche Gehaltsbandbreiten sind in unseren Unternehmen auch durchaus realistisch. Schließlich können zwei Mitarbeiter*innen mit gleicher Position und gleicher Ausbildung dennoch unterschiedliche Gehälter erhalten, wenn sie unterschiedliche Erfahrung, Betriebszugehörigkeit oder Zusatzausbildungen haben.
Es gibt wenige Unternehmen, die einen „gläsernen Betrieb“ mit Gehaltstransparenz leben. Häufig sind das sogenannte Start-up-Unternehmen, die sich hinsichtlich der Arbeitgeberattraktivität besonders modern und ansprechend darstellen wollen. Das hat am Arbeitsmarkt, besonders bei jungen Fach- und Führungskräften, Vorteile im Recruitment.
Es hat aber auch Nachteile bei der Mitarbeiterfluktuation oder in der Aktion mit dem Wettbewerber. Mitarbeiter*innen nehmen schließlich diese Informationen mit, wenn sie ein Unternehmen verlassen. Natürlich gibt es eine nachvertragliche Schweigepflicht über Betriebsgeheimnisse, es stellt sich aber immer auch die Frage, wer was an den Wettbewerber kommuniziert hat, sodass eine Nachverfolgung doch sehr schwer ist.
Gibt es eine Verpflichtung zur Gehaltstransparenz?
Unternehmen, die nicht tarifgebunden sind, haben auch keine Verpflichtung zur Gehaltstransparenz. Unternehmen, die tarifgebunden sind, können eine Verpflichtung zur Offenlegung von Tarifgruppen oder Eingruppierungen aus einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung haben.
Eine Verpflichtung zur Gehaltstransparenz kann auch nicht aus dem Entgelttransparenzgesetz abgeleitet werden, denn bei Gehaltstransparenz kennt der Mitarbeiter*in mehrere Gehälter auch aus mehreren Hierarchieebenen, während er nach dem Entgelttransparenzgesetz nur die Gehälter der Mitarbeiter*innen in einer zu ihm vergleichbaren Stelle kennt.

Was regelt das Entgelttransparenzgesetz?
Laut Gesetzgeber soll das Entgelttransparenzgesetz aus dem Jahr 2017 die Transparenz von Entgeltstrukturen in Unternehmen fördern. Das Gesetz ist erst ab einer Unternehmensgröße von 200 Mitarbeiter*innen anwendbar. Ein Prüfverfahren muss sogar erst ab 500 Mitarbeitenden durchgeführt werden.
Der Mitarbeiter*in hat nach dem Entgelttransparenzgesetz ein Recht auf eine Auskunftserteilung, wenn in einem Unternehmen mit mehr als 200 Angestellten mehrere Mitarbeiter*innen (mindestens sechs) einer vergleichbaren Stelle zugeordnet sind, wie die Stelle, die der Mitarbeitende selbst ausübt. Also kann beispielsweise eine Rezeptionistin Auskunft verlangen, wieviel die anderen Rezeptionist*innen im Unternehmen verdienen.
Ziel der Fragestellung ist es, eine mögliche Ungleichbehandlung zu verhindern oder herauszufinden. In tarifgebundenen Unternehmen mit einer Eingruppierung ist das Auskunftsersuchen an den Betriebsrat zu richten. In Unternehmen ohne Tarifbindung ist das Auskunftsersuchen durch den Mitarbeiter*in an den Arbeitgeber zu richten.
Sollte sich eine unbegründete Benachteiligung nachweisen lassen, kann der bzw. die Angestellte auch rückwirkend einen Ausgleich für die Benachteiligung verlangen. Die „mindestens sechs Mitarbeiter*innen” sind wegen Datenschutz notwendig. Nach einem Auskunftsersuchen kann ein neuerliches Auskunftsersuchen erst wieder nach zwei Jahren erfolgen.
Das Entgelttransparenzgesetz kann also Gehaltstransparenz oder ein gläsernes Unternehmen nicht darstellen. Das Gesetz zielt darauf ab, dem Mitarbeiter*in eine Möglichkeit zu geben, Ungleichheiten im Unternehmen zu recherchieren oder dagegen angehen zu können.
Ideal wäre, wenn das Gesetz Ungleichheiten in der Bezahlung in unseren Unternehmen im Vorfeld verhindern könnte. Das kann das Entgelttransparenzgesetz aber sicher nicht leisten. In den letzten Jahren hat sich zudem gezeigt, dass Mitarbeiter*innen dieses Gesetz kaum nutzen.
Effekte der Gehaltstransparenz für Arbeitgeber und Arbeitnehmer*innen
Wirkung für Arbeitgeber
Arbeitgeber haben in Unternehmen, in denen keine Gehaltstransparenz herrscht, einen Wissensvorsprung gegenüber den Arbeitnehmer*innen. Geben sie diesen Wissensvorsprung auf und öffnen sich der Transparenz, geben sie der Mitarbeiterschaft auch Raum für Vergleichsdiskussionen.
Die Mitarbeiter*innen können auch in einem Unternehmen bei gleichem Job gleich bezahlt sein, auch wenn die Leistung in der Regel nicht gleich ist. Top Performer werden in Unternehmen mit Lohntransparenz und vergleichbarer Bezahlung dazu tendieren, sich extern nach Arbeitgebern umzusehen, die leistungsorientiert vergüten.
Die Konsequenz ist für den Arbeitgeber die Einführung einer leistungsorientierten Gehaltskomponente. Solche Komponenten müssen regelmäßig nicht nur gegenüber dem Betriebsrat, sondern auch gegenüber den Mitarbeiter*innen argumentiert werden. Diese Gehaltskomponenten mögen zu leistungsgerechter Bezahlung führen, aber auch zu ungleicher Bezahlung. Das ist eine mögliche Wirkung von Gehaltstransparenz.
Eine andere Wirkung ist ein beruhigender Effekt für die Organisation. Nichts verunsichert Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber mehr als Intransparenz und Unsicherheit. Wenn ein Mitarbeiter*in sieht, dass der Kollege bzw. die Kollegin mit dem gleichen Job gleich bezahlt wird, wird er mit seinem eigenen Gehalt zufriedener sein.
Wenn der Mitarbeiter*in sieht, dass es sich lohnt, nach einer weiteren Karrierestufe zu streben, wird er unter Umständen mehr Leistung bringen und sich nicht beim Konkurrenzunternehmen bewerben. Für Arbeitgeber ist es wichtig, die eigene Belegschaft gut einschätzen zu können und eine für die eigene Organisation gute Entscheidung zu treffen.
Arbeitnehmereffekte
Aus den Wirkungen für Arbeitgeber ergeben sich natürlich auch die Effekte für Arbeitnehmer*innen. Hinzu kommt, dass der Arbeitnehmer*in neugierig sind, was der Kollege bzw. die Kollegin verdient. Er bzw. sie selbst spricht in der Regel nicht über sein Einkommen.
Ein Effekt aus ungleicher, aber leistungsgerechter Bezahlung kann auch Frustration sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Mitarbeiter*in über Gehaltsdifferenzen erkennt, dass andere Mitarbeiter*innen eine höhere Leistung erbringen oder dies auch einfach nur durch die Verantwortlichen so gesehen wird.
Fazit
Man kann beim Thema Gehaltstransparenz nicht einfach eine Empfehlung für oder gegen eine Einführung geben. Die Effekte für uns als Arbeitgeber sind zu komplex und abhängig von der eigenen Organisation und Mitarbeiterschaft. Sieht man Gehaltstransparenz aus der Sicht der Mitarbeiter*innen, dann ist der Ausschlag deutlich für mehr Gehaltstransparenz in unseren Unternehmen.
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- Kategorie: Personalmanagement
- 16. Februar 2021
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