Krank zur Arbeit: Präsentismus verstehen und verhindern
Der Präsentismus ist ein gesellschaftliches Phänomen am Arbeitsplatz und wird von allen Beteiligten oft unterbewusst geduldet, wenn nicht sogar gefördert. Hierbei dreht sich vieles um vermeintliche Schuldgefühle, die in der Praxis dann Auswirkungen auf die betriebliche Gesundheit haben. Spätestens die Corona-Pandemie hat das Phänomen in den Vordergrund gerückt und viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu einem Umdenken bewegt. Möchte man meinen!
Sind Sie schon mal krank zur Arbeit gegangen oder haben Ihre Mitarbeiter dabei ertappt? Warum das ernsthafte Folgen für Ihr Unternehmen haben könnte, erfahren Sie in diesem Artikel ⬇️
Inhalt
1. Definition: Was ist Präsentismus?
2. Wann darf ein Arbeitnehmer krank zur Arbeit?
3. Krank zur Arbeit gehen kann unangenehme Folgen haben
4. Krank weiterarbeiten im Homeoffice
5. Ursachenforschung: Was treibt Arbeitnehmer zur Arbeit im Krankheitsfall?
6. Die Folgen des Präsentismus sind signifikant
Definition: Was ist Präsentismus?
Beim Präsentismus gehen Arbeitnehmer krank in den Betrieb. Das ist die sehr kurze Definition, die natürlich nicht in Gänze ausreichend ist. Präsentismus ist ein Phänomen, bei dem verschiedene Ursachen eine Rolle spielen. Dazu gehören unter anderem:
• Pflichtgefühl
• (mangelnde) Rücksichtnahme auf Kollegen
• Personalmangel und Fachkräftemangel
• Ängste vor personellen und persönlichen Konsequenzen
• überhöhte Performance-Kultur im Unternehmen
• Ängste vor beruflichen Nachteilen
Oft ist nicht nur ein Grund der ausschlaggebende, sondern eine Mischung aus den genannten Motiven. Dem Arbeitnehmer ist dabei oft nicht bewusst, dass das Erscheinen im Betrieb negative Konsequenzen auf die eigene Gesundheit und die Kollegen, sowie auf das Unternehmen im Allgemeinen haben kann.
Die möglichen Folgen werden zusätzlich gerne verdrängt, sodass fast eine Art von Zwang entsteht, auf der Arbeit erscheinen zu müssen, obwohl eine Krankschreibung tatsächlich die bessere Lösung für alle wäre.

Wann darf ein Arbeitnehmer krank zur Arbeit?
Das deutsche Arbeitsrecht hat den Begriff der Krankheit und des daraus resultierenden Fehlens am Arbeitsplatz sehr eindeutig geregelt. Grundsätzlich ist das Arbeiten trotz Krankschreibung erlaubt, sofern der Arbeitnehmer sich dazu in der Lage fühlt und keine Ansteckungsgefahr vorliegt.
Dazu hat er allerdings keine Verpflichtung und der Arbeitgeber muss bis zu 30 Krankheitstage im Jahr (außerhalb der Probezeiten) bedingungslos tolerieren, bevor arbeitsrechtliche Konsequenzen gezogen werden dürfen.
Die Verantwortung liegt also beim Arbeitnehmer, der seine Situation selbst einschätzen und die richtigen Schlussfolgerungen daraus ziehen muss. Das ist insofern ein Problem, als in Unternehmen mit einer starken Performance-Kultur ein sehr starker Leistungsdruck herrscht und die fachlich korrekte Einschätzung der eigenen gesundheitlichen Lage in der Regel nicht durch den Arbeitnehmer erfolgen kann.
Krank zur Arbeit: Folgen des Präsentismus
Die Folgen von Präsentismus werden seitens der HR und der Arbeitnehmer gerne unterschätzt. Dabei können diese signifikante wirtschaftliche und gesundheitliche Folgen für ein Unternehmen haben. Zu den möglichen Folgen gehören unter anderem:
- verminderte Produktivität: Erkrankte Mitarbeiter haben eine verminderte Leistungsfähigkeit und machen leichter Fehler. Zudem kann es bei einem ausgeprägten Präsentismus durch Übertragung und Ansteckung schnell zu einer starken Störung der Abläufe durch Personalmangel aufgrund Krankschreibungen kommen.
- Chronifizierung von Krankheiten: Gerade bei anfänglich unscheinbaren Erkrankungen, wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, besteht die Gefahr der Chronifizierung. Auch die Verbreitung von Viren und Bakterien wird gerne als eine Form der innerbetrieblichen Chronifizierung von Krankheiten bezeichnet.
Aktuelle Erhebungen zeigen, dass Präsentismus durchaus überdurchschnittlich negative Konsequenzen haben kann. Im Vergleich zum Absentismus, also dem bewussten Fehlen am Arbeitsplatz, ist der Präsentismus sogar ein deutlich stärkerer Faktor und beeinflusst die Produktivität sehr stark.
Nach dem Motto, dass auch kleine Fehler große Wirkung haben, fällt beim Präsentismus vor allem die Summe der kleinen Fehler in das Auge und macht den Unterschied aus. Erkrankte Arbeitnehmer machen viele kleine Fehler und kumuliert beeinträchtigen diese das Betriebsergebnis negativ.
Präsentismus macht sich also bemerkbar und ist ein betriebswirtschaftlicher Faktor, der nicht übersehen werden sollte. Verantwortungsvolle Personaler sind sich der Lage bewusst und arbeiten deswegen aktiv auf eine Verhinderung des Präsentismus hin.
Krank weiterarbeiten im Homeoffice
Auch im Homeoffice können Arbeitnehmer krank zur Arbeit erscheinen. Hier hat das Arbeiten trotz Krankmeldung dieselben Auswirkungen wie das Arbeiten direkt am Arbeitsplatz. Mit dem kleinen Unterschied, dass im Homeoffice die Übertragungsgefahr auf Mitarbeiter und Kunden in der Regel fehlt. Es ist ja kein persönlicher Kontakt möglich, was den Übertragungsradius deutlich einschränkt.
Das Homeoffice ist ein vergleichsweise neuer Trend und noch nicht in Gänze erforscht. Erhebungen zeigen aber bereits eine deutliche Tendenz, die nicht gerade positiv in die Zukunft blicken lässt. Arbeitnehmer neigen im Homeoffice gerne zur Selbstüberschätzung und denken, dass die Arbeit in den eigenen vier Wänden doch viel leichter von der Hand geht und auch bei einer Erkrankung zu bewältigen ist.
Doch das stimmt überhaupt nicht! Auch in den eigenen vier Wänden bleibt eine Erkrankung dieselbe. Das wohlige und vertraute Gefühl in den eigenen vier Wänden sollte darüber nicht hinwegtäuschen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Gefahr der Chronifizierung von Krankheiten aufgrund eines täuschenden Selbstbildes der Arbeitnehmer signifikant steigt.

Ursachenforschung: Was treibt Arbeitnehmer zur Arbeit im Krankheitsfall?
Experten sehen im Präsentismus auch einen gesellschaftlichen und kulturellen Hintergrund. Ein gutes Beispiel hierfür ist die extreme Neigung zum Präsentismus in der japanischen Gesellschaft. Während es hier im sprichwörtlichen Sinne um die Ehre geht, sind im europäischen Raum vor allem Leistungsgedanken die wichtigsten Antriebsgründe.
Wer nicht auf der Arbeit erscheint, der erbringt die notwendige Leistung nicht und gerät in Gefahr, auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen auf das Abstellgleis zu gelangen. Daraus resultiert ein häufig überzogenes Verantwortungs- und Pflichtgefühl gegenüber dem Arbeitnehmer. Die reale Pflicht zur Erhaltung der eigenen Arbeitskraft und der Arbeitskraft der Kollegen wird hierbei verdrängt.
Krank zur Arbeit gehen kann unangenehme Folgen haben
Bis vor wenigen Jahren wurde der Präsentismus oft als Nebensache, vielleicht sogar als erwünschter Nebeneffekt gesehen. Doch mittlerweile ist klar, dass dieses Phänomen deutliche Auswirkungen auf den Betrieb und die Angestellten haben kann.
Die persönlichen Konsequenzen sind beachtlich und reichen bis zu einer verkürzten Lebenszeit. Aus wirtschaftlicher Sicht ist Präsentismus für Unternehmen ein ernstes Problem. Denn durch Präsentismus wird die innerbetriebliche Produktivität massiv abgesenkt.
Wie können Arbeitgeber gegen Präsentismus vorgehen?
Krankgeschrieben arbeiten ist in vielen Unternehmen eigentlich normal. Genau hierin liegt das Problem. Unternehmen und Unternehmer müssen begreifen, dass der Präsentismus zu einem ernsten Problem werden kann und dementsprechend aktiv dagegen vorgehen. Dazu gibt es eine ganze Reihe von Lösungen:
Änderung der Unternehmenskultur
Eine stark ausgeprägte Leistungskultur im Unternehmen und eine Verhinderung des Präsentismus müssen sich nicht schneiden, sondern können Hand in Hand gehen. Die Sensibilisierung der Mitarbeiter steht dabei im Vordergrund.
Diese sollen durch eine Reihe von Maßnahmen lernen, wie der Präsentismus verhindert werden kann und ihre eigene Gesundheit in den Vordergrund stellen. Eine mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur ist das Schlüsselwort an dieser Stelle.
Integration eines betrieblichen Gesundheitsmanagements
Das betriebliche Gesundheitsmanagement wird in Deutschland gefördert und es gibt eine Vielzahl von Angeboten in diesem Bereich. Die gesetzlichen Krankenkassen bieten beispielsweise Gesundheitskurse und Aufklärungskurse an.
Diese sensibilisieren die Mitarbeiter auf allen Ebenen und steigern die betriebliche Gesundheit. Weitere Lösungsvorschläge wären Kooperationen mit regionalen Fitnessstudios, oder aber innerbetriebliche Sportangebote.
Führungskultur
Die Führungskräfte sind hauptverantwortlich für die Umsetzung von Maßnahmen, die Präsentismus verhindern können. Die Etablierung eines gemeinsamen Führungsleitbildes ist deswegen unumgänglich und sollte vorangetrieben werden.
Aufklärung der Führungskräfte und der Mitarbeiter
Die Aufklärung der Mitarbeiter und der Führungskräfte ist die Grundlage für alle Maßnahmen. Oft sind die negativen Folgen und die Konsequenzen des Präsentismus gar nicht bekannt und es benötigt dringend Hilfe in Form von Informationen in diesem Bereich.
Fazit: Präsentismus lässt sich verhindern
Wenn Unternehmen den Präsentismus eindämmen, dann ist das nicht nur ein gesundheitlicher Vorteil. Rein aus wirtschaftlicher Sicht rentiert sich hier jeder investierte Betrag und steigert das betriebliche Ergebnis. Die negativen Auswirkungen von Präsentismus sind signifikant und dürfen auf keinen Fall unterschätzt werden. Effektive Maßnahmen dagegen sind bekannt und müssen lediglich umgesetzt werden.
Gehen Sie in Ihrem Unternehmen aktiv gegen Präsentismus vor? Wir freuen uns auf Ihre Erfahrungen in den Kommentaren ⬇️
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Bildquelle: „Mitarbeiterin putzt sich die Nase und sitzt vor Laptop“ ©PeopleImages – istockphoto.com, „Mitarbeiterin hustet im Büro“ ©Drazen Zigic – istockphoto.com, „Frau arbeitet krank im Homeoffice“ ©Photoboyko– istockphoto.com
- Kategorie: Gesundheit, Allgemein
- 23. Februar 2023
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