Unconscious Bias im Recruiting: So überwinden Sie unbewusste Vorurteile
Bewerber werden ausschließlich auf Basis ihres Könnens eingestellt, oder? Das stimmt leider nicht. Im Recruiting gibt es viele verschiedene Fallstricke und Vorurteile, auf die Personaler hereinfallen können. Das führt nicht nur zur Benachteiligung bestimmter Bewerber, sondern langfristig auch zu einer schlechteren Personalbesetzung im Unternehmen.
In diesem Artikel schauen wir uns an, welche Vorurteile es gibt und wie Personaler aus den entsprechenden Denkmustern ausbrechen können.
Was können Sie sich unter dem Unconscious Bias vorstellen?
Nach der allgemeinen Definition fallen alle Vorurteile in den Bereich Unconscious Bias, denen Sie sich als Personaler nicht bewusst sind. Das können sowohl positive als auch negative Vorurteile sein. Möglicherweise schreiben Sie einem Bewerber aufgrund seines Aussehens, seiner Größe oder bestimmten Details seines Lebenslaufs, Kompetenzen zu, die er gar nicht besitzt.
Umgekehrt können Sie einen Bewerber auch aus den gleichen Gründen für eine bestimmte Aufgabe als ungeeignet bewerten. Das Tückische an diesen Verzerrungen der Wahrnehmung ist, dass sie unterbewusst stattfinden und bereits wenige Sekunden nach dem Kennenlernen einer Person Ihre Wahrnehmung von dieser beeinflussen.
Aus genau diesem Grund ist „der erste Eindruck zählt“ als Motto für Bewerber so weit verbreitet. Egal wie kompetent und geeignet ein potenzieller Arbeitnehmer ist: Wenn er ungepflegt und unangemessen gekleidet zu seinem Bewerbungsgespräch kommt, wird er trotz aller Fähigkeiten sehr wahrscheinlich nicht eingestellt.
Vorurteile können nicht einfach aus dem Kopf verbannt werden
Vorurteile sind etwas zutiefst Menschliches und fest in unserer DNA verankert. Niemand kann sich von Vorurteilen und Heuristiken freisprechen. Jeder Mensch kategorisiert andere in der Sekunde, in welcher er sie kennenlernt und versucht sie in ein stimmiges Bild einzuordnen. Dieser Instinkt war früher notwendig, um Gefahren schnell zu erkennen und adäquat auf sie reagieren zu können.
Für Personaler ist es daher auch nicht möglich, sich Vorurteile abzugewöhnen. Es geht eher darum, sich den Fehlern der eigenen Wahrnehmung bewusst zu sein. Vorurteile sollen nicht oder zumindest so wenig wie möglich zu Personalentscheidungen beitragen.
Versuchen Sie sich nicht von Ihren ersten Eindrücken zu einem Bewerber beeinflussen zu lassen. Hören Sie ihm zu und versuchen Sie, ihn so neutral wie möglich auf seine Eignung für das Unternehmen und die ausgeschriebene Stelle zu prüfen.

Personaler mögen Menschen, die ihnen ähnlich sind
Die am häufigsten verbreitete Verzerrung der Wahrnehmung ist der sogenannte “Mini-Me-Effekt“. Je ähnlicher uns eine Person ist, umso sympathischer und kompetenter schätzen wir diese Person ein. Zahlreiche Studien belegen, dass Männer lieber Männer und Frauen lieber Frauen einstellen. Große Menschen stellen lieber große Menschen ein.
Und wenn ein Bewerber die politischen Ansichten des Personalers teilt, erhöht er damit auch seine Chancen, eingestellt zu werden. Ohne überhaupt etwas über die fachlichen Kenntnisse des Bewerbers zu wissen, entwickelt der Personaler unterbewusst eine Sympathie für ihn und spricht ihm deshalb automatisch eine höhere Kompetenz zu.
Welchem Unconscious Bias fallen wir am häufigsten zum Opfer?
Um Ihnen ein Gefühl für häufige Wahrnehmungsverzerrungen zu geben, sprechen wir in diesem Abschnitt über die weit verbreitetsten Vorurteile. Überprüfen Sie Ihr eigenes Denken kritisch und überlegen Sie, ob Sie einen Bewerber möglicherweise wegen einem dieser Vorurteile schon mal abgelehnt haben.
1) Ältere Menschen können nicht das Gleiche leisten wie Jüngere
Älteren Bewerbern wird unterbewusst eine geringere Leistungsfähigkeit im Vergleich zu ihren jüngeren Kontrahenten zugeschrieben. Die Leistungsfähigkeit kann natürlich erst beurteilt werden, nachdem der Bewerber eingestellt wurde und einige Zeit gearbeitet hat. Es ist nachgewiesen, dass Bewerber vorschnell aufgrund ihres Alters aussortiert werden.
2) Herkunft und Hautfarbe beeinflussen die Kompetenzwahrnehmung
Der Mini-Me-Effekt kann auch auf Äußerlichkeiten übertragen werden. So stellen wir am liebsten Menschen ein, die uns ähnlich sind. Das führt natürlich auch dazu, dass Menschen anderer Herkunft alleine aufgrund ihres Aussehens benachteiligt werden können.
3) Behinderte und kranke Menschen leisten weniger
Auch gegenüber Menschen mit einer Behinderung oder einer langen Krankheitsgeschichte kommt es zu unbewussten Verzerrungen der Wahrnehmung. Personaler schreiben diesen Menschen eine geringere Belastbarkeit zu und gehen unterbewusst davon aus, dass sie häufiger fehlen werden.
4) Größe, Statur, Stimme und Geschlecht
Auch naturgegebene Eigenschaften, wie unsere körperliche Konstitution, beeinflussen unsere wahrgenommene Kompetenz. Körperliche Merkmale, wie zum Beispiel breite Schultern oder eine tiefe Stimme, lassen einen Menschen unterbewusst kompetent wirken. Da diese Attribute meist eher auf Männer zutreffen, schreiben wir Frauen im ersten Moment unterbewusst eine geringere Kompetenz zu.
Wie kann der Einfluss des Unconscious Bias minimiert werden?

Nur weil Ihnen die Existenz des Unconscious Bias bewusst ist, bedeutet das nicht, dass sie diesen jetzt für sich selbst abstellen können. Es gibt aber einige Möglichkeiten, um den gesamten Recruiting–Prozess möglichst wenig von Vorurteilen beeinflussen zu lassen.
1) Anonyme Bewerbungen
Indem in Bewerbungen auf Angaben zu Herkunft, Geschlecht und vielleicht sogar Namen und Fotos verzichtet wird, können Bewerber aufgrund äußerlicher Faktoren nicht mehr vorab aussortiert werden.
2) Standardisierte und objektive Gespräche
Indem Sie allen Bewerbern die gleichen Fragen stellen, kommt es im Gespräch selbst zu einer möglichst neutralen und objektiven Betrachtung der Kandidaten.
3) Hinterfragen Sie Ihre eigene Bewertung kritisch – gerne auch mit Hilfe eines Kollegen
Waren Sie dem Bewerber gegenüber fair? Haben Sie ihn wirklich ausschließlich nach seiner Kompetenz beurteilt? Denken Sie über Ihre Bewertung nach. Es scheint außerdem sinnvoll zu sein, Bewerbungsgespräche nicht alleine zu führen. So können sich beide Personaler gegenseitig kritisch hinterfragen.
Fazit: Bewusstsein für den Unconscious Bias schaffen
Vorurteile gehören zum Leben dazu und können nicht einfach abgestellt werden. Diese Wahrnehmungsverzerrungen finden unterbewusst statt und können das Kennenlernen einer Person negativ beeinflussen. Sie als Personaler können sich dieser Vorurteile aber bewusst werden. Versuchen Sie, Vorurteilen durch Objektivität und Reflexion möglichst wenig Gewicht bei der Auswahl des passenden Personals einzuräumen und hinterfragen Sie stets Ihre Bewertungen potenzieller Kandidaten.
Wie gehen Sie mit unbewussten Vorurteilen gegenüber Bewerbern um? Teilen Sie uns Ihre Erfahrungen und Tipps in den Kommentaren mit.
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- Kategorie: Personalmanagement, Recruiting
- 10. Februar 2022
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