Urlaubsanspruch nach Alter gestaffelt ist unzulässig
09.02.2011
Je älter, desto mehr Urlaub - diese Regelung in einem Tarifvertrag verstößt gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Denn die Jüngeren werden durch diese Staffelung altersdiskriminiert. So lautet ein aktuelles Gerichtsurteil, das womöglich die BAG-Rechtsprechung beeinflussen kann. Rechtsanwalt Dr. Marc Spielberger von Beiten Burkhardt erläutert die Folgen für Arbeitgeber.
Wenn ein Tarifvertrag die Höhe der Urlaubsansprüche nach dem Lebensalter staffelt, verstößt dies gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. So entschied aktuell das LAG Düsseldorf (Urteil vom 18.1.2011, 8 Sa 1274/10)
Der Tarifvertrag sah eine Staffelung des Jahresurlaubsanspruchs so vor:
- bis zum vollendeten 20. Lebensjahr 30 Urlaubstage
- nach dem vollendeten 20. Lebensjahr 32 Urlaubstage
- nach dem vollendeten 23. Lebensjahr 34 Urlaubstage
- nach dem vollendeten 30. Lebensjahr 36 Urlaubstage
Der klagende 23jährige Arbeitnehmerin standen laut Tarifvertrag 34 Tage Urlaub zu. Sie klagte auf 36 Tage und bekam recht.
Altersstaffelung verstößt gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
Die nach dem Alter unterscheidende Regelung ist mangels Vorhandenseins eines legitimen Ziels nicht nach § 10 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gerechtfertigt. Insbesondere stellte das vom Arbeitgeber vorgebrachte Argument, mit der Regelung solle die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefördert werden, keine anerkennenswerte Rechtfertigung dar.
Folge: Alle haben den gleichen Urlaubsanspruch
Die Folge dieser ungerechtfertigten Ungleichbehandlung ist, dass alle Arbeitnehmer, die unter die tarifliche Regelung fallen Anspruch auf 36 Tage Urlaub haben.
Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, da die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen wurde, spielt es für die Praxis eine große Rolle.
Auch Arbeitsverträge und Betriebsvereinbarungen sind betroffen
Man wird sagen müssen, was für den Tarifvertrag gilt, gilt erst recht für die Ebene des Arbeitsvertrags, die grundsätzlich noch größerem gerichtlichen Schutz unterliegt. Das heißt, dass eine Urlaubsstaffelung nach Lebensalter in Arbeitsverträgen ebenfalls diskriminierend wäre. Derartige Staffelungen finden sich in vielen Arbeitsverträgen und sind bei Arbeitgebern beliebt: Wer lange dabei ist, soll belohnt werden. Dasselbe gilt natürlich auch für Betriebsvereinbarungen.
Handlungsbedarf für Arbeitgeber: Arbeitsverträge anpassen
Da damit zu rechnen ist, dass das BAG diese Entscheidung voraussichtlich bestätigen wird, ist Handlungsbedarf für Arbeitgeber geben. Arbeitsvertragsmuster mit solchen Staffelungen sollten angepasst werden. Arbeitgeber müssen zudem bei bestehenden Arbeitsverträgen damit rechnen, dass jüngere Arbeitnehmer den jeweiligen Höchsturlaub einklagen werden. Es müssen gegebenenfalls Rückstellungen für Nachzahlungen gebildet werden. Ferner sollten auch Betriebsvereinbarungen auf solche Staffelungen durchgesehen werden, um Risikopotenziale zu erkennen. Dasselbe gilt für alle Tarifverträge, denen der Arbeitgeber unterworfen ist.
Ausnahmen sind aber nach wie vor denkbar
Dreh- und Angelpunkt bei Ungleichbehandlungen ist die Frage der Rechtfertigung.
Nach § 10 AGG muss es bei Altersdiskriminierungen ein legitimes Ziel für die Differenzierung geben. So könnten möglicherweise Urlaubsstaffeln erlaubt sein, die älteren Arbeitnehmern (z. B. 60jährigen oder älter) mehr Urlaub gewährt als Jüngeren, sofern es sich nachweisen lässt, dass ältere Arbeitnehmer tatsächlich einen höheren Urlaubs- und Erholungsbedarf haben als Jüngere. Es bleibt aber offen, ob dieses Argument von den Gerichten letztlich anerkannt wird.
Praxistipp: Differenzierungen benötigen einen Sachgrund
Für die zukünftige Vertragsgestaltung gilt, dass bei jeder vertraglichen Regelung, die Differenzierungen in Altersgruppen vornimmt, geklärt werden muss, ob diese sich wirklich sachlich rechtfertigen lässt. Wenn kein gutes Argument gegeben ist, warum auf die Altersunterschiede eingegangen werden muss, ist Vorsicht geboten. Der Arbeitgeber läuft Gefahr, dass er später allen Arbeitnehmer die jeweiligen best dotierten Leistungen gewähren muss.
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