Lohn bei verbotener Vereinbarung?
21.02.2002
§§ 134 BGB; § 1 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 4 Satz 1 Handwerksordnung (HwO)
1. Eine Vereinbarung, durch die sich ein Handwerksmeister (Konzessionsträger) für eine Tätigkeit als Betriebsleiter einer GmbH nach § 7 Abs. 4 Satz 1 HwO zur Verfügung stellt, ist nach § 134 BGB nichtig, wenn diese nur bezweckte, der GmbH die Eintragung in die Handwerksrolle und die Ausübung eines Handwerks zu ermöglichen, in Wirklichkeit aber eine der HwO entsprechende Betriebsleitertätigkeit nicht beabsichtigt war. 2. Vergütungsansprüche des Konzessionsträgers entstehen weder aus einer solchen unwirksamen Vereinbarung noch aus anderen Gesichtspunkten.
(redaktionelle Leitsätze)
LAG Thüringen, Urteil vom 9. März 2001 ? 5 Sa 10/2001
Problempunkt Der Geschäftsführer der beklagten GmbH hat eine Meisterprüfung im Zahntechnikerhandwerk nicht abgelegt. Er schloss mit dem 250 km entfernt wohnenden Kläger, einem Zahntechnikermeister, am 1. September 1998 einen Vertrag, nach dem dieser mit sofortiger Wirkung als Zahntechnikermeister bei der Beklagten eingestellt wurde. Die vertraglich festgelegte regelmäßige Arbeitszeit betrug 40 Stunden wöchentlich. Für die Tätigkeit des Klägers wurde ein monatlicher Bruttoarbeitslohn in Höhe von 1 500 DM vereinbart, der sich nur auf die aufsichtsführende Tätigkeit beziehen sollte. Gleichfalls unterzeichneten die Parteien zur Vorlage bei der Handwerkskammer eine Betriebsleitererklärung als Eintragungsvoraussetzung in die Handwerksrolle. Die Beklagte meldete den Kläger bei der Krankenkasse und führte Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer ab. Der Kläger nahm nach Vertragsschluss seine Tätigkeit nicht auf. Ab August 1999 stellte die Beklagte die Zahlungen ein. Nach der fristlosen Kündigung des Vertrages am 25. Januar 2000 verlangte der Kläger seine noch ausstehende Vergütung.
Entscheidung Das Thüringer Landesarbeitsgericht hat ? wie im Ergebnis bereits das Arbeitsgericht ? die Klage abgewiesen. Unabhängig davon, ob ein Arbeitsverhältnis überhaupt vorliegt, hat der Kläger keinen Anspruch auf Vergütung. Denn die Vereinbarung verstößt gegen ein gesetzliches Verbot und ist nach § 134 BGB nichtig. § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO gestattet den selbständigen Betrieb eines Handwerks als stehendes Gewerbe nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften (selbständige Handwerker). Eintragungsfähig ist, wer in dem von ihm zu betreibenden oder einem verwandten Handwerk die Meisterprüfung abgelegt hat. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 HwO kann auch eine GmbH eingetragen werden, wenn ein Betriebsleiter existiert, der den Voraussetzungen der HwO genügt. Dazu gehört die verantwortliche Leitung, Führung und Beaufsichtigung des handwerklichen Sektors des Unternehmens. Er muss rechtlich und tatsächlich in der Lage sein, an sämtlichen Arbeitstagen während der üblichen Arbeitszeit das Betriebsgeschehen zu lenken. Wer diese Bedingungen nicht einhält, verstößt gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 7 Abs. 4 Satz 1 HwO. Der hier maßgebliche Vertrag diente nach Auffassung der Kammer lediglich dazu, die Eintragung der Beklagten in die Handwerksrolle zu bewirken, ohne dass tatsächlich eine der HwO entsprechende Betriebsleitertätigkeit beabsichtigt war. Wie der Kläger bestätigte, erfolgte die Vergütung von 1 500 DM im Monat lediglich, um der Beklagten die gewünschte Konzession zu verschaffen. Der Kläger war aufgrund seines ca. 250 km entfernten Wohnsitzes nicht in der Lage, an jedem Arbeitstag die Betriebsleiteraufgaben auszuüben. Dies war der Beklagten bekannt. Es ist davon auszugehen, dass Abschluss und Formulierungen des ?Arbeitsvertrages?, entrichtete Sozialversicherungsbeiträge sowie die abgeführte Lohnsteuer nur der verschleierten gesetzwidrigen Konzessionsträgerschaft dienten. Die Beklagte hat den Kläger zudem nie zur Arbeitsaufnahme aufgefordert oder wegen beharrlicher Verweigerung der Arbeitsaufnahme abgemahnt, sondern vielmehr monatelang 1 500 DM brutto an den Kläger bezahlt, ohne diesen gesehen oder etwas gehört zu haben.
Konsequenzen Dient ein die Tätigkeit des Betriebsleiters regelnder Vertrag nur der Eintragung in die Handwerksrolle, nicht aber der nachfolgenden praktischen Umsetzung (?StrohmannVerhältnis?), droht neben der Ablehnung der Eintragung ein Ordnungswidrigkeitsverfahren oder eine strafrechtliche Verfolgung nach § 271 StGB. Besteht bereits eine Eintragung, kann die Fortsetzung des Betriebes untersagt werden. Liegen die Voraussetzungen der Eintragung nicht (mehr) vor, droht die Löschung.
Praxistipp An der erforderlichen Einflussnahme eines Betriebsleiters zweifeln Handwerkskammern etwa, wenn jener noch in einem anderen Arbeitsverhältnis steht und wegen der dortigen Residenzpflicht nicht jederzeit für Betriebsleiterzwecke abkömmlich ist. Die tatsächliche Wahrnehmung der Betriebsleiterfunktion scheitert z. B., wenn der Betriebsleiter räumlich zu weit entfernt wohnt oder körperlich den Anforderungen nicht mehr genügt, wie beim Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente. Eine eintragungsfähige Betriebsleiterstellung erfordert zwar keine ständige Anwesenheit im Betrieb. Der Betriebsleiter muss jedoch ständig das Geschehen eigenverantwortlich wie ein typischer Handwerksmeister in seinem eigenen Betrieb leiten, d. h. in Notfällen schnellstens und ohne Zeitverlust in das Betriebsgeschehen lenkend und korrigierend eingreifen und die erforderlichen Anordnungen treffen können. Vorsicht ist dringend geboten! Es drohen noch ganz andere Gefahren, wie ein Urteil des BAG (v. 2.2.1994 ? 10 AZR 673/92) zeigt. Ein Dachdeckermeisters, der sich für 800 DM als ?Konzessionsträger? zur Verfügung stellte, um die Eintragung eines Betriebes in die Handwerksrolle zu ermöglichen, hat damit nach Ansicht des BAG eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet; damit haftet er nach außen für die Verbindlichkeiten der GbR ? ein unabsehbares Risiko! Die GbR entsteht unabhängig davon, ob die Beteiligten sich der Rechtsfolgen ihres Handelns bewusst sind. Bereits mit seiner ausdrücklichen Zusage der Konzessionsträgerschaft hat der Handwerksmeister die für die selbständige handwerkliche Ausübung des Gewerbes notwendigen handwerklichen Voraussetzungen beigesteuert. Der für eine GbR erforderliche gemeinsame Zweck der Vertragschließenden liegt darin, dem nicht im Besitz des Meistertitels befindlichen Vertragspartner des Handwerksmeisters die Führung eines Dachdeckerbetriebs zu ermöglichen. Ob der Konzessionsträger die technische Betriebsleitung tatsächlich wahrgenommen hat bzw. wahrnehmen konnte, sollte oder wollte, ist als gesellschaftsbegründend i. S. v. § 705 BGB nicht maßgebend.
Ass. jur. Anja Skauradszun, Berlin
Quelle: www.arbeit-und-arbeitsrecht.de