zurück
Architektur / Bauwesen
Assistenz / Sekretariat
Ausbildungsplätze
Banken / Versicherungen / Finanzdienstleister
Berufskraftfahrer / Personenbeförderung (Land, Wasser, Luft)
Bildung / Erziehung / Soziale Berufe
Consulting / Beratung
Diplomandenstellen
Einkauf / Logistik / Materialwirtschaft
Finanzen / Controlling / Steuern
Forschung und Wissenschaft
Freiberufler / Selbständigkeit / Franchise
Gastronomie / Tourismus
Handwerk / gewerblich-technische Berufe
Hilfskräfte, Aushilfs- und Nebenjobs
Ingenieurberufe / Techniker
IT / TK / Software-Entwicklung
Kaufmännische Berufe & Verwaltung
Marketing / Werbung / Design
Medizin und Gesundheit
Öffentlicher Dienst
Personalwesen
PR / Journalismus / Medien / Kultur
Praktika, Werkstudentenplätze
Rechtswesen
Sicherheitsdienste
Vertrieb / Verkauf
Vorstand / Geschäftsführung
Weiterbildung / Studium / duale Ausbildung

Fristlose Kündigung wegen Androhung einer Krankmeldung

06.03.2003

§ 626 BGB

1. Droht ein nicht arbeitsunfähiger Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Krankmeldung für den Fall an, dass ihm der gewünschte Urlaub nicht gewährt werde, so ist dieses Verhalten an sich geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dies gilt erst recht, wenn der Arbeitnehmer trotz entsprechender Abmahnung seine Drohung wahr macht.

2. Der grundsätzlich hohe Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird durch ein solches Verhalten erschüttert. Er kann allenfalls dadurch wiederhergestellt werden, dass der Arbeitnehmer objektive Tatsachen vorträgt, die den Verdacht einer Täuschung des behandelnden Arztes beseitigen können.


LAG Köln, Urteil vom 17. April 2002 ? 7 Sa 462/01

Problempunkt
Der Kläger ist in dem Restaurantbetrieb der Beklagten seit ca. sieben Jahren beschäftigt. Am 28. Dezember 1999 kam es zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und dem Restaurantleiter D der Beklagten, in welchem der Kläger um die Gewährung von Urlaub für den Neujahrstag bat. Dies lehnte D mit den Worten ab: ?Du musst kommen, wenn du nicht kommst, bekommst du die Kündigung.? Hierauf erwiderte der Kläger, dass er krank machen werde, wenn er nicht wie gewünscht am Neujahrstag frei bekomme. D gab dem Kläger noch eine Chance und behielt sich ausdrücklich die Kündigung für den Fall der Verwirklichung der Drohung des ?Krankmachens? vor. In der Folgezeit suchte der Kläger einen Arzt auf und wurde von diesem für den Zeitraum vom 30. Dezember 1999 bis 4. Januar 2000 arbeitsunfähig krank geschrieben. Am 5. Januar 2000 wurde dem Kläger fristlos gekündigt.
Mit der Berufung wendet sich dieser gegen die Abweisung seiner Kündigungsschutzklage und trägt insoweit vor, es bestehe selbst dann kein Grund zur Kündigung, wenn er seine Arbeitsunfähigkeit angedroht hätte. Denn er sei tatsächlich krank gewesen. Er habe sich am Folgetage des Gesprächs mit D den Rücken verkühlt. Der behandelnde Arzt habe ihn sodann nach ?Abtastung des Rückens, Feststellung von Schmerzempfindlichkeit und Ähnlichem? krank geschrieben. Bereits in der Vergangenheit habe er schon das eine oder andere Mal wegen Rückenbeschwerden fehlen müssen.

Entscheidung
Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das LAG Köln hat entschieden, dass bereits die Androhung, sich missbräuchlich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu verschaffen, um dem Arbeitgeber hierdurch eine bestimmte gewünschte Vergünstigung abzupressen, als wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB für eine fristlose Kündigung geeignet ist.
Durch das Verhalten des Klägers, eine Krankschreibung anzudrohen, sei die von ihm beigebrachte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in ihrem Beweiswert erschüttert. Seine Darlegungen, er habe sich den Rücken verkühlt und der behandelnde Arzt habe ihn nach Abtasten des Rückens auf Schmerzempfindlichkeit wegen Rückenbeschwerden krank geschrieben, reichten nicht aus, um die Beweiskraft wieder herzustellen. Der Arzt sei nämlich bei derartigen Beschwerden vollständig auf die Mitwirkung seines Patienten angewiesen und könne von einem Patienten, der es darauf anlege, ohne weiteres getäuscht werden.
Der Sachvortrag des Klägers lasse insoweit die Möglichkeit einer Täuschung ausdrücklich offen, zumal er selbst nicht etwa behauptet habe, sich bereits am Tag der Auseinandersetzung mit D krank gefühlt zu haben. Selbst wenn der Kläger tatsächlich Rückenprobleme in der Vergangenheit zu beklagen gehabt hätte, besage dies nichts über das tatsächliche Vorliegen der Beschwerden. Ebensogut könne sich ein zur Täuschung entschlossener Arbeitnehmer eine gewisse Anfälligkeit zunutze machen, um nach außen glaubwürdiger zu erscheinen. Dadurch, dass der Kläger die Möglichkeit einer Krankschreibung zweckwidrig instrumentalisiert habe, habe er es sich letztlich selbst zuzuschreiben, wenn ihm anschließend eine auf seinem subjektiven Krankheitsempfinden beruhende Krankschreibung nicht mehr als ?echt? abgenommen werde.
Die Interessenabwägung fiel trotz siebenjähriger Betriebszugehörigkeit und umfangreicher Unterhaltsverpflichtungen zum Nachteil des Klägers aus, da er ein Verhalten an den Tag gelegt habe, welches dem Arbeitsverhältnis auf Dauer die Vertrauensgrundlage entziehe. Der Arbeitgeber habe nämlich im Bereich der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nur eine sehr eingeschränkte Missbrauchskontrolle.
Im Übrigen würden auch die Interessen der Arbeitskollegen schwerwiegend beeinträchtigt, da diese im Falle einer Erkrankung mit Misstrauen des Arbeitgebers rechnen müssten.

Konsequenzen
Die Entscheidung bestätigt im Ergebnis die Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 5.11.1992 ? 2 AZR 147/92, AP Nr. 4 zu § 626 BGB Krankheit). Grundsätzlich ist bereits die bloße Androhung einer Krankschreibung an sich geeignet, eine fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB zu rechtfertigen, ohne dass es einer vorhergehenden Abmahnung bedarf. Denn der Arbeitnehmer kann nicht erwarten, dass der Arbeitgeber eine derartige Drohung, die das Vertrauensverhältnis und die gegenseitige Rücksichtnahmepflicht aus dem Arbeitsverhältnis empfindlich verletzt, hinnehmen wird. Insofern kann es keinen Unterschied machen, ob der Mitarbeiter tatsächlich erkrankt, da Kündigungsgrund die Drohung und Druckausübung ist, nicht jedoch der Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit (vgl. v. Hoyningen-Huene/Link, KSchG, 13. Aufl. 2002, § 1 Rdnr. 341).
Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht jedoch darin, dass der Arbeitgeber nicht direkt im Anschluss an eine angedrohte Krankschreibung eine (fristlose) Kündigung ausspricht, sondern dies von einer tatsächlichen Krankmeldung abhängig macht. Im Ergebnis überzeugt dabei die Auffassung des LAG Köln, wonach der Beweiswert einer nachfolgend vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert wird.

PRAXISTIPP
Die Entscheidung darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass es dem Arbeitnehmer im Einzelfall durchaus möglich ist, den Beweiswert eines ?gelben Zettels? durch einen schlüssigen Tatsachenvortrag im Hinblick auf die behauptete Erkrankung wieder herzustellen. Entbindet der Arbeitnehmer im Übrigen den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht, trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Täuschung des Arztes. Dem Arbeitgeber ist mithin zu raten, einem Arbeitnehmer für die Androhung einer Krankschreibung keine Abmahnung auszusprechen, da hierdurch der Kündigungsgrund der angedrohten Krankschreibung grundsätzlich verbraucht ist. Auch sollte er die Kündigung im Hinblick auf die Möglichkeit der Wiederherstellung des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ausdrücklich von einer tatsächlichen Krankschreibung abhängig machen, da dies ein (unnötiges) Prozessrisiko darstellt. Behält sich der Arbeitgeber die Kündigung nämlich nur insgeheim vor, so bestehen keine Bedenken dem Arbeitnehmer in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BAG allein wegen der Androhung einer Krankschreibung und des damit eingetretenen Vertrauensverlustes innerhalb der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB auch ohne vorherige Abmahnung fristlos zu kündigen.

Richter und Lehrbeauftragter
Dr. Michael E. Reichel, Schwerin


Quelle: www.arbeit-und-arbeitsrecht.de

Logo stellenanzeigen.de GmbH & Co.KG

Die Seite ist für den Portrait Modus optimiert.
Bitte drehe dein Gerät!