Kraftwerk Boxberg: Der geschrumpfte Riese könnte wieder wachsen
12.08.2003
Boxberg (dpa) - Stetig steigen dichte weiße Wolken aus den Türmen des Kohlekraftwerkes Boxberg in den blauen Himmel über der Oberlausitz, doch in den riesigen Hallen der Anlage ist kaum ein Arbeiter zu sehen. In der Kommandozentrale steuern und überwachen einige wenige Mitarbeiter das Kraftwerk. Boxberg liefert nach einem jahrelangen Schrumpfungsprozess mit zwei 500- und einem 900-Megawatt-Block Strom und sieht wieder Wachstumspotenzial. «Es wäre noch Platz für einen weiteren Block», sagt Kraftwerksleiter Wolfgang Beyer.
Knapp 740 Menschen arbeiten derzeit im Kraftwerk Boxberg. Als es Mitte der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in Betrieb ging, sollten es einmal 6.000 sein. Gab Boxberg zu Spitzenzeiten schließlich 4.600 Menschen in der DDR Beschäftigung, zeigte die Personalkurve in vergangenen Jahren stetig nach unten. Nach der Wende wurde ein großer Teil des veralteten Kraftwerkes stillgelegt, Gebäude und Türme stehen bis heute wie ein Mahnmal.
Die beiden 500-Megawatt-Blöcke wurden modernisiert, der 900-Megawatt-Block neu errichtet. Seit dem vergangenen Jahr gehört dasKraftwerk zum schwedischen Vattenfall-Konzern. «Durch die Modernisierung sind sehr, sehr viele Arbeitsplätze verloren gegangen», sagt Betriebsrat Günter Dittrich. Die Arbeitnehmer mussten Teilzeit, Vorruhestand und einige betriebsbedingte Kündigungen in Kauf nehmen. Bestimmte Aufgaben wurden ausgelagert: Einige der neu gegründeten Unternehmen überlebten, andere starben.
Und doch ist Boxberg für die Gewerkschaften kein rotes Tuch. Im Gegenteil, Sachsens DGB-Chef Hanjo Lucassen würdigt die Anstrengungen des Konzerns etwa bei der Ausbildung: «Man muss Vattenfall ein dickes Lob aussprechen, dass es mehr als viele andere Unternehmen ausbildet.» 38 Jugendliche treten Ende August ihre Lehre in Boxberg an. Das Kraftwerk bildet über den eigenen Bedarf hinaus aus und vermittelt die ausgelernten Kräfte an andere Unternehmen weiter. Für Lucassen ein «erfreuliches Beispiel».
«Sehr gute Kohle» bezieht das Kraftwerk aus dem nahe gelegenen Tagebau Nochten, wie Beyer sagt. 48.000 Tonnen schluckt die Anlage täglich und kann im Jahr damit bis zu 15,6 Milliarden Kilowattstunden Strom produzieren. Beyer würde Boxberg liebend gern um einen weiteren Block erweitert sehen. Ob der Konzern das mache, hänge aber auch von den politischen Rahmenbedingungen ab. Die Kohle dürfe gegenüber anderen Energieträgern nicht benachteiligt werden. Windenergie etwa sei «eine sinnvolle Ergänzung» zur Kohle und Atomenergie, könne diese aber nicht ersetzen, mahnt Beyer.
Im Rathaus von Boxberg hätte man nichts gegen einen Ausbau des Kraftwerks, dessen Geschichte mit der des Ortes eng verknüpft ist. «Wir gehörten einmal zu den reichsten Gemeinden Sachsens», sagt Bürgermeister Roland Trunsch und verweist auf die Steuerzahlungen des Kraftwerkes. Mittlerweile habe sich das geändert, Steuerrückzahlungen hätten die Kasse des Ortes stark belastet. Das Freibad musste geschlossen werden. «Jetzt gibt es Anzeichen, dass es wieder aufwärts geht», sagt Trunsch.
Quelle: www.arbeit-und-arbeitsrecht.de