Gleichbehandlung und Weihnachtsgeld
05.08.2003
§ 611 BGB
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es nicht, eine Gruppe von Arbeitnehmern von einer freiwillig gewährten Leistung auszuschließen, sofern dem ein sachlicher Grund zugrunde liegt. Als solcher sachlicher Grund kommt auch die Vermeidung einer Besserstellung einer Arbeitnehmergruppe in Betracht.
LAG Düsseldorf, Urteil vom 25. März 2003 ? 16 (5) Sa 1504/02 ? (nicht rechtskräftig)
Problempunkt
Die Klägerin war bei ihrem früheren Arbeitgeber seit 1996 gegen ein festes Jahresgehalt tätig. 1997 und 1998 hatte sie freiwillige Jahresabschlussprämien des Arbeitgebers in Höhe von DM_1_000 bzw. DM 2_000 erhalten. Im Jahr 1999 ging das Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Diese bezahlte ihre vorhandenen Mitarbeiter nach Tarifregelungen für den Groß- und Außenhandel. Sie zahlte ihnen hierbei neben Urlaubsgeld und vermögenswirksamen Leistungen auch ein freiwilliges Weihnachtsgeld. Urlaubsgeld und vermögenswirksame Leistungen gewährte sie ab 2000 auch den übernommenen Mitarbeitern. In den Jahren 1999, 2000 und 2001 teilte die Beklagte ihren Mitarbeitern mit, dass jeweils als freiwillige Leistung eine Weihnachtszuwendung von einem Monatsgehalt gezahlt werde, wobei sie die übernommenen Mitarbeiter hiervon ausdrücklich ausnahm.
Die Klägerin beansprucht die Zahlung des Weihnachtsgelds für die Jahre 2000 und 2001. Hierzu beruft sie sich auf einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Da sie auch die in den Jahren 1997 und 1998 von ihrem früheren Arbeitgeber gezahlte Jahresabschlussprämie nicht mehr erhalte, bestehe ihr Anspruch auch unter dem Gesichtspunkt der Besitzstandswahrung.
Die Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos.
Entscheidung
Dem LAG Düsseldorf zufolge hat die Klägerin keinen Anspruch auf das streitige Weihnachtsgeld als eine von der Beklagten freiwillig gewährte Zuwendung, insbesondere nicht aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Die Kammer beruft sich hierzu auf eine Entscheidung des BAG (Urt. v. 12.1.2000 ? 10_AZR 840/98 ? AP Nr. 223 zu § 611 BGB Gratifikation), derzufolge ein Arbeitgeber einen Teil der Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmergruppe von den Vergünstigungen einer Zuwendung ausschließen darf, wenn er hierbei nicht sachwidrig oder willkürlich handelt.
Die streitgegenständliche Differenzierung hat das LAG als nicht sachwidrig bewertet. Hierbei stellt es darauf ab, dass die im Wege des Betriebsübergangs übernommenen Arbeitnehmer, insbesondere die Vergütungsgruppe der Klägerin, in den streitigen Jahren 2000 und 2001 gegenüber der Stammbelegschaft ein insgesamt höheres Vergütungsniveau aufgewiesen haben. Dies hätte sich bei Zahlung eines Weihnachtsgelds weiter deutlich erhöht.
Von daher hat das Gericht die Entscheidung der Beklagten, für die Jahre 2000 und 2001 eine zusätzliche Weihnachtsvergütung nur ihren Stammmitarbeitern zu gewähren und die übernommenen Mitarbeiter hiervon auszunehmen, als plausibel nachvollziehbar angesehen. Dies um so mehr, als keine tatsächliche Schlechterstellung der übernommenen Arbeitnehmer eingetreten sei, so dass keine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots gegeben ist.
Die Klägerin konnte sich auch nicht auf die von ihrem früheren Arbeitgeber gezahlten Jahresprämien berufen, da auf diese wegen des Freiwilligkeitsvorbehalts kein Anspruch bestanden hatte. Zudem waren sie von der Höhe her nicht mit dem beanspruchten Weihnachtsgeld vergleichbar. Schließlich hätte die Einbeziehung der früheren Prämien in die Durchschnittsgehälter zu einer weiteren Erhöhung des Vergütungsniveaus der übernommenen Mitarbeiter geführt, was ebenfalls die Zulässigkeit der unterschiedlichen Behandlung der beiden Mitarbeitergruppen belegt.
Ob aufgrund der Angleichung der Vergütungen der beiden Gruppen für die Zukunft ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Weihnachtszuwendung bestehen kann, hat das Gericht offengelassen.
Konsequenzen
Der Gleichbehandlungsgrundsatz stellt eines der tragenden arbeitsrechtlichen Grundprinzipien dar, das teilweise aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG hergeleitet wird, zum Teil als Ausfluss der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers angesehen wird. Hiernach ist dem Arbeitgeber eine willkürliche, also sachlich unbegründete Durchbrechung allgemein- oder gruppenbezogener Regelungen zum Nachteil einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitgebergruppen verboten (BAG, Urt. v. 5.3.1980, DB 1980, S._1650).
Die vorliegende Entscheidung steht im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung, wonach der Arbeitgeber auch bei der Gewährung freiwilliger Zuwendungen wie dem Weihnachtsgeld zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen differenzieren darf, sofern dem sachliche Gründe zugrunde liegen. Dies konkretisiert das LAG dahingehend, dass auf unterschiedliche, nicht ohne weiteres änderbare Vergütungssysteme bei der Stammbelegschaft bzw. einer Gruppe per Betriebsübergang übernommener Mitarbeiter, die hierdurch finanziell besser stehen, als sachlicher Differenzierungsgrund abgestellt wird.
Das Urteil lässt den weitergehenden Schluss zu, dass dieses Differenzierungskriterium dann nicht mehr gegeben sein dürfte, wenn sich die verschiedenen Vergütungssysteme soweit angeglichen haben, dass die Arbeitnehmer ? unter Berücksichtigung der Vergütungsgruppen ? weitgehend gleichen Lohn für gleiche Arbeit erhalten.
Praxistipp
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, der in erster Linie eine willkürliche Benachteiligung von Arbeitnehmern verhindern soll, verlangt keine völlige Gleichbehandlung der vorhandenen Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmergruppen. Will ein Arbeitgeber Mitarbeiter in rechtlich zulässiger Weise unterschiedlich behandeln, hat er anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zuvor genau zu prüfen, ob hierfür ein nachvollziehbarer sachlicher Grund gegeben ist, der von ihm im Streitfall darzulegen und nachzuweisen wäre.
RA Dr. Werner Holtkamp
Rechtsanwälte Godefroid & Pielorz, Düsseldorf
Quelle: www.arbeit-und-arbeitsrecht.de