Ist dein Glas meistens halb voll – oder halb leer? Je nachdem, wie du dich äußerst, lässt das Rückschlüsse auf dein Denken zu. Bist du ein Optimist? Oder siehst du eher die negativen Aspekte einer Sache? Wie auch immer: Positiv denken liegt nicht nur in Krisenzeiten im Dauertrend. Doch was ist wirklich dran an dem Phänomen: Mythos oder Erfolgsstrategie?

Fast jeder hat einen Menschen im Bekanntenkreis, der durch sein positiv gestimmtes Wesen auffällt. Er oder sie wirkt immer gut gelaunt, sieht ausschließlich die positiven Seiten und macht sogar in scheinbar aussichtslosen Situationen einen ruhigen, aufgeräumten und durchaus hoffnungsvollen Eindruck. Nicht selten sind diese Menschen zugleich sehr erfolgreich, manchmal werden sie auch als „Glückskinder“ bezeichnet. Solche Naturtalente gibt es tatsächlich. Als eher pessimistisch veranlagter Mensch fragt man sich da: Wie macht der oder die das nur? Und: Kann man das lernen?

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Positiv denken als populärwissenschaftliche Denkmethode

Tatsächlich ist das „Positiv Denken“ nichts, was sich Lifestyle-Ratgeber-Autoren Ende der Neunzigerjahre selbst ausgedacht haben, um ihre Bücher gut zu verkaufen. Die Denkmethode hat ihre Wurzeln in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zunächst von Amerika ausgehend. Jedoch auch in Japan und in Europa lassen sich zu dieser Zeit erste Strömungen der Methode erkennen.

Was ist positives Denken?

Beim positiven Denken wird versucht, das eigene Denken systematisch und bewusst wiederholt positiv zu beeinflussen. Das Ziel ist eine optimistische Grundhaltung des einzelnen, die langfristig zu einer größeren Zufriedenheit führen soll.

Im letzten Jahrhundert und auch aktuell hat das Denkkonzept sehr erfolgreich Einzug in die Alltagspsychologie, die gesamte Ratgeberliteratur und die Achtsamkeitsbewegung gefunden. Allerdings wird das Konzept schon seit langem und immer wieder auch heftig kritisiert, unter anderem aus der wissenschaftlichen Psychologie.

Nachdenklicher, vertiefter Mann vor Laptop - positiv denken
Bildquelle: www.istockphoto.com / fizkes

Der Glaube – versetzt Berge?

Eine wichtige Rolle beim positiven Denken spielt der Glaube. Er wird in dem Fall nicht im religiösen Sinn interpretiert, sondern vielmehr als eine Art Kraftquelle gesehen, die die Fähigkeit besitzt, Realität zu werden. Vereinfacht gesagt: Bestimmte Dinge, die du für wahr hältst, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, auch wirklich real zu werden. Betrachtest bzw. siehst du also vermehrt Gutes, das du mit positiven Gefühlen verbindest, so steigt die Chance, dass sich diese Dinge auch erfüllen.

Mit diesem Verständnis wird dem Glauben an etwas eine große Macht zugesprochen. Und natürlich auch dem Individuum an sich, dem man die Fähigkeit zumisst, durch eigenes Denken die wahrgenommene Realität zu verändern.

Ich stelle mir also vor, dass ich Karriere machen werde – und schon habe ich Erfolg?

Ganz so einfach ist es leider nicht.

Kritiker werfen dem Denkansatz vor, den Menschen ein Heilsversprechen zu suggerieren, was so nicht eingehalten werden kann. Vor allem bei eher negativ gestimmten Menschen könne die Methode des „positiven Denkens“ zudem zum umgekehrten Effekt führen: Sie würden sich schuldig an der eigenen Misere, am Unglücklich-sein fühlen, weil sie es selbst mit dieser Methode nicht schaffen, und noch unzufriedener werden.

Andererseits gibt es zahlreiche Menschen, die überzeugt sind vom Konzept der „guten Gedanken“.

Wie funktioniert positives Denken?

Positives Denken hat sehr viel mit Achtsamkeit und bewusster Gedankensteuerung zu tun. Dabei wirst du dir im ersten Schritt bewusst, in welchen Situationen im Alltag deine negativen Gedanken überhandnehmen. Als nächstes versuchst du, genau in diesen Situationen die negativen Gedanken durch positive zu ersetzen. Du probierst also bewusst, Negatives zu vermeiden und deine Gedanken in eine positive Richtung zu steuern. 

Junge erfolgreiche Mitarbeiterin blickt lächelnd aus dem Fenster - positiv denken
Bildquelle: www.istockphoto.com / insta_photos

So kann eine „Positiv-Denken-Strategie“ aussehen:

  • Überlege: Wann und in welchen Situationen empfindest du sehr stark negative Gedanken und Gefühle? Vielleicht kannst du so bestimmte Denkmuster bei dir entschlüsseln.
  • Erlebe dich und deine Gedankenwelt ganz bewusst im Tagesablauf. Frage dich immer wieder, ob du jetzt schlechte Laune hast oder ob positive Gedanken überwiegen. Achte ganz genau auf dein Empfinden.
  • Im nächsten Schritt versuchst du, Kontrolle über deine Gedankenwelt zu bekommen. Du probierst, negative Emotionen gar nicht erst aufkommen zu lassen bzw. sie sofort durch ein positives Mindset zu ersetzen.

Beispiel:
Du spürst, wie du jetzt bei deiner Arbeit unvermittelt an die nächste Woche anstehende Präsentation denken musst, die du vor dem Team halten sollst. Dein Nacken verspannt sich, du runzelst die Stirn, du fühlst dich schlecht – denn du hast Angst vor dem Termin. Bevor du gedanklich sämtliche Horrorszenarien bzgl. all dessen, was schieflaufen könnte, durchgehst, schiebe den Gedanken an den Vortrag aktiv beiseite. Zwinge dich stattdessen, an dein letztes Quartalsgespräch zu denken, bei dem dich deine Chefin gelobt hat und du eine Gehaltserhöhung durchsetzen konntest.

  • Meide negative Gedanken und Situationen, die dich herunterziehen – wenn es möglich ist und in deiner Entscheidungsgewalt liegt. Meide in deinem Leben ebenso Menschen, die immerzu schlechte Laune haben und verbreiten.

Beispiel:
Natürlich kannst du die Präsentation nicht einfach schwänzen. Dieser Situation musst du dich aussetzen, wenn es beruflich verlangt wird. Du kannst aber versuchen, unangenehmen Kollegen vorab bewusst aus dem Weg zu gehen und andere schwierige Termine abzusagen oder nach hinten zu verlegen. Lieber planst du dir am Vormittag vor dem Vortrag einen kleinen Motivationskaffee mit einer lieben Kollegin ein, die dich positiv bestärken kann.

  • Vermeide es, dir potenzielle negative Konsequenzen deines Handelns bis ins Detail auszumalen.
  • Nutze hingegen positive Autosuggestion: Stelle dir ausführlich vor, wie eine Sache klappt bzw. sich positiv für dich entwickelt. Führe dir positive Erlebnisse immer wieder vor Augen.
  • Genieße deine gute Laune in vollen Zügen und lache besonders ausgiebig. Lachen ist tatsächlich gesund!
  • Glaube an dich und deinen Erfolg.
  • Sei achtsam im Alltag und behandle dich selbst gut und nachsichtig. Gehe nicht hart mit dir selbst ins Gericht.
  • Erkenne deine Bedürfnisse und erlaube dir, sie zu erfüllen.

Mögliche positive Effekte durch positives Denken

Wie sehr es dir tatsächlich gelingt, deine Emotionen zu steuern, musst du ausprobieren. Es ist nämlich gar nicht so leicht, einen negativen Gedanken einfach beiseitezuschieben. Aber wie so vieles im Leben kann man auch diese Methode bis zu einem gewissen Grad lernen.

Viele Karriereberater und Personal Coaches haben inzwischen das positive Denken für sich entdeckt. Sie bieten sogar Online-Kurse an, in denen man die Technik erlernen kann. Oftmals ist auch von einem sogenannten „Reframing“ die Rede. Damit ist gemeint, dass man seiner Gedankenwelt einen neuen Rahmen verpasst. Wir sind es im Alltag gewöhnt, ständig fast ausschließlich mit schlechten Nachrichten aus der ganzen Welt konfrontiert zu werden. Deshalb neigen wir auch dazu, einen negativen Blickwinkel einzunehmen. Ändern wir dieses Setting für uns bewusst ab, so ist es uns wieder möglich, befreiter und konstruktiver zu handeln.

Mögliche erwünschte Effekte des positiven Denkens können sein:

  • zufriedenere Grundhaltung
  • besseres Wohlbefinden
  • mehr Motivation
  • stärkeres Immunsystem
  • höhere Produktivität im Job
  • weniger Stresssymptome
  • mehr Erfolg im Beruf
Junge lächelnde, positiv denkende Frau am Schreibtisch im Homeoffice vor Laptop
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Kritik

Jedoch wird diese Denkmethode auch von vielen Seiten kritisch gesehen. Ihr liege eine Art Realitätsverleugnung zugrunde, indem man die Augen einfach vor negativen Dingen verschließe. Wer zudem permanent nur positive Floskeln bemüht, könnte nach einiger Zeit tatsächlich weniger Gefühl und Empathie empfinden. Es gibt jedoch auch unangenehme Situationen im Leben, die man annehmen und akzeptieren muss, auch wenn sie wenig Freude und Positives mitbringen.

Kritisiert wird auch immer wieder, dass bei dem Denkkonzept suggeriert wird, der Mensch könne über seinen eigenen Glauben in gewisser Weise die Realität steuern. Das entspreche nicht der Wahrheit.

Es gibt mittlerweile sogar Wissenschaftler, die vor dem zwanghaften positiven Denken warnen. Das könne auf Dauer krank machen und uns schaden. Ganz speziell gelte das zum Beispiel für Opfer von Traumata. Wichtiger wäre es, auch negative Gefühle zuzulassen, aber zu lernen, wie man mit ihnen umgeht.

Fazit

Ob man an die Macht der positiven Gedanken glauben will, muss jeder persönlich für sich entscheiden – oder zumindest in welchem Ausmaß man dieser Methode zutraut, die eigene Karriere zu planen und voranzubringen. Klar ist: Eine ordentliche Portion Optimismus tut im Leben jedem gut und wirkt sich positiv auf Privates wie auch Arbeit aus. Spürst du, dass du manchmal ein Problem mit zu viel negativen Gedanken und deinem Selbstwert hast, kannst du die Methode ja einfach im kleinen Rahmen mal austesten. Vielleicht spürst du einen positiven Effekt. Falls nicht, ist es mit Sicherheit nicht die richtige Methode für dich.


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