Studieren während Corona: Uni-Leben auf Pause
Abitur in der Tasche, jetzt nichts wie ab an die Universität: Das süße Studentenleben ruft! Ja, „Stopp!“ ruft es maximal, denn momentan ist ja Pandemie. Und die Corona-Situation hat auf den Alltag der Studierenden immense Auswirkungen. Kaum Präsenzveranstaltungen, kein Campus-Leben, null Kontakte – wie ist studieren da überhaupt möglich?
Inhaltsverzeichnis
Wie hat sich das Studieren verändert?
Früher war studieren: einen Campus entdecken, neue Leute kennenlernen, Kontakte zu Professoren und Dozenten knüpfen, gemeinsam lernen in großen Hörsälen, lesen und Fachliches vertiefen in Bibliotheken, eine noch unbekannte Stadt erkunden, das Nachtleben genießen, Kunst und Kultur erfahren. Und dann kam Corona.
Vieles von dem, was das Studieren und das Studentenleben bislang ausmachte, ist durch die Pandemie unmöglich geworden. Kontaktbeschränkungen, keine Präsenzveranstaltungen, geschlossene Bibliotheken und maximal Take-away-Mensen, eingefrorener Kulturbetrieb, keine Partys – für Studenten hat sich ihr Leben in der Pandemie um 180 Grad gedreht. Und gerade für junge Menschen ist das eine extrem große Belastung. Denn in dieser Altersspanne machen soziale Kontakte und viele neue Bekanntschaften das Leben zu einem ganz großen Teil aus.
Doch ganz konkret: Wie sieht das Uni-Leben während der Corona-Pandemie aus? Die Hochschulen in Deutschland mussten auf digitale Lehre umstellen. Bereits das komplette Sommersemester 2020 lief so ab, und auch das Wintersemester 2020/2021. Das heißt:
Online-Unterricht
Seminare und Vorlesungen werden online abgehalten bzw. es wird digitales Material zum Lernen von den Dozenten und Professoren zur Verfügung gestellt. Je nach Hochschule werden spezielle Softwareprogramme genutzt, um auch das Lernen in größeren oder kleineren Gruppen digital zu organisieren bzw. um generell strukturiertes Online-Lernen möglich zu machen. Hierzu zählen zum Beispiel Moodle (Kursverwaltung, Kommunikation in Gruppen und persönlich, Aufgabenverwaltung, Tests), Mahara (Lerntagebuch, digitale Sammelmappen, gemeinsame Projektdokumentationen), oder BigBlueButton (Webkonferenz-System).
Natürlich läuft dieser digitale Unterricht mal besser, mal schlechter – abhängig von seiner Art der Aufbereitung und dem jeweiligen Dozenten. Studenten loben zum einen sehr kreative und engagierte Dozenten, bemängeln aber anderseits auch Kurse, in denen die „digitale Lehre“ darin besteht, dass sie 120 Buchseiten lesen und dazu drei schriftliche Aufgaben bearbeiten sollen. Wie auch beim Schulunterricht entscheiden Kenntnisstand digitaler Techniken und Motivation deines Dozenten über die Qualität des Digitalunterrichts.
Prüfungen
Je nach Hochschule gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen. Manche Universitäten verzichten aktuell komplett auf Präsenzprüfungen bzw. untersagen diese sogar. In diesem Fall wirst du als Student am Ende eines Kurses vielleicht eine sogenannte „elektronische Fernprüfung“ absolvieren müssen. Die Prüfungsaufsicht kann dann via Videokamera am Heimarbeitsplatz der Prüflinge stattfinden, um zu kontrollieren, dass sich niemand unerlaubt Hilfe holt. Möchtest du das aus Datenschutzgründen nicht, so stellen dir einige Hochschulen für diesen Fall einen Präsenzplatz an der Uni für die Prüfung zur Verfügung – in begrenzter Anzahl natürlich. Klappt das nicht, so musst du diese Prüfung auf ein späteres Semester verschieben.
Es gibt aber auch Universitäten, die auf Präsenzprüfungen bestehen. Dann musst du für die Prüfung zur Uni fahren, und dich dort zur Prüfungszeit einfinden. Die Studenten werden mit entsprechendem Abstand und unter Einhaltung der Hygieneregeln (Masken) in einem großen Raum so gesetzt, dass die Ansteckungsgefahr möglichst gering ist. Unter diesen Rahmenbedingungen wird dann die Prüfung geschrieben.
Vielen Dozenten ist es relativ freigestellt, wie sie die Abschlussprüfung eines Kurses oder Seminars gestalten bzw. wie sie die Note bilden. Es besteht also auch oft die Möglichkeit, eine Seminararbeit zu schreiben, die dann bewertet wird. Das hängt vom Professor und deinem Studienfach ab.
Lernen
Die Universitätsbibliotheken sind zum Großteil geschlossen, aufgrund der Kontaktbeschränkungen gibt es keine Lerngruppen in physischer Anwesenheit, und die komplette Infrastruktur des Campus wie PC-Räume usw. ist quasi lahmgelegt. Auch praktische Übungen können momentan kaum stattfinden, es sei denn, sie lassen sich irgendwie digital durchführen.
Gerade beim Studium ist das gemeinsame Lernen ein sehr wichtiger Aspekt. Ein Problem zu erörtern, zusammen zu diskutieren, Lösungsvorschläge in der Gruppe zu erarbeiten – all das gehört zum Studieren dazu. Vieles davon ist online nicht wirklich realisierbar, sei es aus technischen Gründen oder weil kreatives Brainstorming digital einfach nicht so gut funktioniert.
Zudem verlangt es von den Studierenden ein sehr hohes Maß an Eigenverantwortung und Disziplin, das Lernen komplett auf Distanz und selbstständig durchzuführen. Wer selbst im Home-Office mit Motivationsschwierigkeiten zu kämpfen hat, kennt das Problem nur zu gut.
Viele Studierende sind zumindest vorübergehend auch wieder ins Elternhaus zurückgezogen. Damit befinden sie sich komplett außerhalb des Universitätskosmos. Die Gefahr, dass man dann das Studium wieder abbricht, weil man gar keinen Zugang zum Fach findet, ist leider groß.
An Dinge wie Auslandssemester oder -praktika ist aktuell in der Corona-Pandemie sowieso nicht zu denken.
Sonderfall Erstsemester
Für Erst- bzw. Zweitsemester kann die aktuelle Situation ja mittlerweile bedeuten, dass sie ihre Kommilitonen persönlich noch überhaupt nicht kennengelernt haben. Denn an das digitale Sommersemester 2020 schloss sich nahtlos ein digitales Wintersemester 2020/2021 an.
Die Studienbeginner können sich deshalb kaum eingewöhnen an ihrer Hochschule, kennen weder Räumlichkeiten, Sekretariat, Bibliothek noch Mensa. So kann gar nicht erst ein Gefühl von Heimat oder Ankommen entstehen. Auch dadurch wächst die Gefahr, das begonnene Studium schnell wieder abzubrechen – vielleicht allein aufgrund der äußeren Umstände durch Corona-Zeiten. Dass in den momentanen Gegebenheiten eine Bindung zum Fach und zum Studiengang entsteht, ist schwierig. Und schließlich muss ein Studium ja auch Freude machen, damit man es durchzieht.
Hier besteht durchaus eine große Gefahr, einen ganzen Studentenjahrgang zu verlieren. Denn wer bereits zu Beginn des Studiums jede Menge Frust schiebt oder nicht mitkommt, wirft schneller das Handtuch. Frank-Hagen Hofmann, leitender Psychologe der Psychosozialen Beratungsstelle für Studierende des Studierendenwerks Heidelberg, betont in einem Interview mit dem SWR, dass in der aktuellen Situation die zentrale Herausforderung für Studienanfänger sei, dass sie sehr, sehr aktiv sein müssten. Es fehle der informelle Austausch mit Kommilitonen und Lehrkräften. Studierende müssten sich also sehr bewusst sein, welche Informationen sie bräuchten, sie müssten diese aktiv suchen und selbst nachfragen.
Chancenungleichheit erhöht?
Früher reichten rein theoretisch Block und Stift aus, um an der Uni zu studieren. Für alles weitere gab es Computerräume, in denen die erforderliche IT-Ausstattung zur Verfügung stand und die auch benutzt werden durfte. Doch um jetzt überhaupt an der Fernlehre effektiv teilnehmen zu können, braucht man als Student eigenes technisches Equipment. Dazu zählen:
- eine stabile Internetverbindung
- ein Endgerät (Laptop, PC)
- eine adäquate Wohnsituation
Gerade letztere muss sowohl fürs ungestörte Lernen als auch fürs Verfolgen der Online-Vorlesungen passen. Das ist speziell für Studenten oft nicht einfach. Denn in einer Wohngemeinschaft ist man in der Regel selten ungestört, noch hat man wirklich viel Platz. Da kann der Alltag schnell so aussehen, dass man den ganzen Tag in seinem 12 m² Zimmer sitzt, und an seinem Schreibtisch abwechselnd frühstückt, lernt, zu Mittag isst, und den Online-Veranstaltungen folgt. Lebt man in einem Studentenwohnheim, hat man ebenfalls meist ein sehr kleines Zimmer. Die Vorteile solch einer Unterkunft wie viel Kontakt mit anderen Studierenden sind aktuell leider nicht realisierbar, man bleibt aufs Alleinsein beschränkt.
Generell zeigt sich, dass die Pandemie die Studenten natürlich auch sehr unterschiedlich trifft. Wer eine angenehme, großzügige Wohnsituation hat, kommt besser durch diese Zeit als jemand, der sehr beengt lebt. Auch fürs technische Equipment ist das nötige Kleingeld die unabdingbare Voraussetzung.
Finanzielle Schwierigkeiten
Für viele Studenten kommt ein weiteres Problem hinzu: In der Coronakrise können klassische Nebenjobs, wie beispielsweise in der Gastronomie oder im Kulturbetrieb, nicht mehr ausgeübt werden. Viele Studentenjobs, die unmittelbar mit Menschen zu tun haben, beispielsweise Kinderbetreuung oder Babysitten, fallen den Kontaktbeschränkungen zum Opfer. Deshalb plagen Studierende aktuell auch ganz konkrete Existenzängste. Sprich sie wissen nicht, wie bzw. wie lange sie noch ihre Miete bezahlen können.
Dass das Ende der Krise nicht konkret absehbar ist, belastet natürlich auch hinsichtlich der finanziellen Lage zusätzlich.
Mentale Probleme
Mental zu kämpfen haben die Studierenden in erster Linie mit dem Mangel an sozialen Kontakten. Es ist in dieser Lebensphase einfach elementar wichtig, sich mit Gleichaltrigen auszutauschen und ein soziales Leben zu führen. Da das momentan im gewohnten Ausmaß nicht möglich ist, stellen sich bei vielen Studierenden auch mentale Probleme ein. Hinzu kommt oftmals die gefühlte fachliche Überforderung durch das neue digitale Lernen.
Im Jahr 2020 ist eine Stellungnahme des Bundesjugendkuratoriums erschienen. Darin wird betont, dass das Junge-Erwachsenen-Alter mehr bedeute als Qualifikation. Es sei das zentrale Lebensalter der Verselbstständigung und der sozialen Selbstpositionierung in der Gesellschaft. Für diese Prozesse braucht es allerdings zwingend ein soziales Umfeld und Erleben.
Doch was bedrückt Studenten in der Corona-Situation am meisten? Im Rahmen der Befragung für die Studie Stu.diCo an der Universität Hildesheim konnten Studenten auch Freitextantworten geben und selbst schildern, wie es ihnen geht. Die Antworten resultieren noch aus dem ersten Lockdown und wurden im Juli 2020 erhoben. Die Stimmungsbilder sind aufschlussreich: Das Studium wird als sozial entleert empfunden, oder auch als Leben in der Warteschleife. Es fehlt an Freude und Freunden. Außerdem geben einige Befragte an, sie hätten den Eindruck, von der Politik nicht gehört zu werden, und auch nicht in den Gestaltungsprozess der Situation miteinbezogen zu werden.
Zusammengefasst lässt sich sagen, die Studierenden beschäftigen
- materielle und immaterielle Zukunftssorgen,
- Vereinsamung,
- Versagensängste,
- das Gefühl von Abgehängtheit,
- Verständnisschwierigkeiten im Studium,
- ein Gefühl der Hilflosigkeit und Ausweglosigkeit,
- die Panik, die „beste Zeit“ im Leben zu versäumen,
- sowie generell Stress aufgrund der neuen, unbekannten Situation.
Große Probleme bereitet dabei vor allem die Unsicherheit, wie bei vielen Menschen momentan. Die Situation ist neu, und wir wissen einfach nicht, wie es weitergehen wird: Ist in ein paar Monaten alles wieder wie früher? Oder zieht sich die Pandemie noch länger? Wird es überhaupt einmal wieder so wie vor Corona? In kleinen Schritten immer wieder ein wenig Hoffnung zu schöpfen, und sich kurzfristige Ziele zu setzen, kann da helfen.
Fazit
Keine Frage: Studieren in der Corona-Pandemie ist eine Herausforderung. Schon die digitale Lehre fordert Lehrende wie auch Studierende, vom technischen Equipment über die nötige Selbstdisziplin beim Arbeiten. Vor allem der Verlust der sozialen Kontakte und der gemeinsamen Wissensaneignung macht den Studenten zu schaffen. Sich klar zu machen, dass dies kein normales Semester ist und auch wieder eine andere Zeit des Studierens kommen wird, kann mental helfen. Durchhalten!
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