Warum entschließen sich Menschen, eine Umschulung zu absolvieren? Gründe, warum man nicht mehr in seinem gelernten Beruf tätig sein will oder kann, gibt es viele: Du hast einfach keine Lust mehr, jede Nacht um 3 Uhr aufzustehen, um Brötchen zu backen? Nach der Geburt deiner Kinder und der Elternzeitpausen spürst du, dass es dich so gar nicht an den Schreibtisch in der Steuerkanzlei zurückzieht, sondern dass du eigentlich davon träumst, dein eigenen kleines Kindermodengeschäft zu eröffnen? Oder du bist bereits seit über einem Jahr erfolglos auf der Suche nach einer ordentlichen Anstellung in deinem Lehrberuf, aber du findest partout keine passende Stelle? Dann wird es jetzt Zeit, neu zu denken.

Umschulung als Chance

Der klassische Weg ins Berufsleben sieht folgendermaßen aus: Du absolvierst deine Schule, beginnst dann eine Ausbildung oder ein Studium und schließt diese bzw. dieses nach einigen Jahren erfolgreich ab. Anschließend suchst du dir einen passenden Job auf dem Arbeitsmarkt, und schon bist du im Berufsleben angekommen. Jetzt nur noch ca. 35-45 Jahre durchhalten, und schon winkt die Rente. Oder gibt es da noch etwas anderes?

Durchaus. Denn heutzutage sind Lebensläufe viel weniger geradlinig als noch vor 20 oder 30 Jahren. Ein Bruch, eine Umorientierung, ein Neustart – all das wird in der heutigen Arbeitswelt viel entspannter gesehen und nicht mehr einem Makel gleichgesetzt. Zu Recht: Gerade durch Neuanfänge entwickelt man sich oft auch persönlich weiter, der eigene Horizont erweitert sich, und man gewinnt neue Erkenntnisse. Solch eine Persönlichkeitsbildung kann auch für das Arbeitsleben große Vorteile mit sich bringen.

Eine Möglichkeit, noch einmal einen Neustart zu wagen, ist eine komplette berufliche Neuorientierung. Beginnt man in späteren Jahren noch einmal eine Ausbildung, in der Regel in verkürzter Form, spricht man von einer Umschulung. Diese kann sowohl in Teilzeit als auch in Vollzeit absolviert werden. Im Durchschnitt lässt sich solch eine Umschulung in ca. 2/3 der regulären Ausbildungszeit realisieren. Das ist allerdings immer abhängig vom gewählten Berufsfeld.

Umschulungsmaßnahme
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Gründe für den Wechsel

Warum entscheiden sich Menschen, eine Umschulung zu beginnen und sich beruflich neu zu orientieren? Die Gründe hierfür sind vielfältig:

Schlechte Jobaussichten auf dem Arbeitsmarkt: Hast du eine Ausbildung in einem Bereich absolviert, der wenig zukunftsträchtig ist bzw. in dem momentan kaum Arbeitskräfte gesucht werden, so kann es sehr schwierig für dich werden, einen Job zu finden. So gibt es beispielsweise traditionelle, althergebrachte Ausbildungsberufe wie Kürschner, Buchbinder oder Modist, in denen es heutzutage nicht leicht ist, eine Anstellung zu finden. Denn oftmals haben sich die Produktionsprozesse in diesen Bereichen grundlegend geändert. Oder aber die Nachfrage ist nicht mehr dieselbe wie zu der Zeit, als du deine Ausbildung gemacht hast. Auch gibt es Ausbildungsberufe, die quasi abgeschafft wurden und nicht mehr existieren. Hierzu zählen beispielsweise der Film- und Videolaborant oder etwa der Handschuhmacher.

Gesundheitliche Probleme, die es verhindern, dass man seinen erlernten Beruf weiter ausüben kann: Als Klassiker kann hier der Frisör dienen, der aufgrund einer starken Parfümallergie seiner Tätigkeit nicht mehr nachgehen kann. Sobald er Kontakt mit Produkten wie Shampoos, Haargel oder Schaumfestiger hat, bekommt er einen extremen Hautausschlag an den Händen. Aber auch psychische Krankheitsbilder können verhindern, dass jemand in seinem Beruf arbeitet. Gesundheitliche Aspekte sind der Klassiker schlechthin als Begründung für Umschulungsmaßnahmen, die von der Arbeitsagentur gefördert werden.

„Ich will einfach noch einmal etwas ganz anderes machen!“ Auch dieser Grund hat durchaus seine Berechtigung – für dich persönlich. Der Arbeitsagentur wird diese Argumentation leider nicht für eine Kostenübernahme ausreichen. Du musst dir in diesem Fall also vorab gut überlegen, wie du deinen Umschulungswunsch selbst finanzieren kannst, zum Beispiel über finanzielle Rücklagen oder vielleicht das Einkommen deines Partners, das eine Zeit lang für euch beide ausreicht. Im Endeffekt wirst du im Prinzip eine neue Ausbildung in Angriff nehmen und bist dabei organisatorisch und finanziell auf dich allein gestellt.

Voraussetzungen für Kostenübernahme

Doch wie finanziert man eine Umschulung? Grundsätzlich sieht die Arbeitsagentur eine Umschulung als spezielle Form der Weiterbildung. Dafür kann es Fördergelder vom Amt geben; muss es aber nicht, sprich niemand hat gesetzlichen Anspruch auf Kostenübernahme einer Umschulung durch die Arbeitsagentur (vgl. www.ratgeber-umschulung.de). Von Fall zu Fall entscheidet der zuständige Sachbearbeiter, ob die Schulungsmaßnahme gefördert wird. Falls ja, erhältst du eine Kostenübernahme in Form eines Bildungsgutscheins.

Aufgepasst: Nur wer bestimmte Kriterien erfüllt, kann überhaupt darauf hoffen, dass die Arbeitsagentur die Kosten für die Umschulungsmaßnahme übernimmt. Gelten für deinen Fall folgende Voraussetzungen, hast du relativ gute Chancen:

  • Du bist mindestens 18 Jahre alt.
  • Du hast eine Berufsausbildung vorzuweisen. Viele Umschulungen in Form von verkürzten Ausbildungen sind nur möglich und förderfähig, wenn du bereits eine erste abgeschlossene Ausbildung in der Tasche hast, zum Teil auch in einem thematisch verwandten Bereich. Allerdings kann man auch Chancen auf eine geförderte Umschulung ohne abgeschlossene Berufsausbildung haben, zum Beispiel wenn man bereits die Ausbildung aufgrund gesundheitlicher Gründe abbrechen musste.
  • Deinen bisherigen Beruf kannst du aus gesundheitlichen Gründen, egal ob physischer oder psychischer Natur, nicht mehr ausüben.
  • Der neue Beruf, den du anstrebst, sollte dir gute Chancen auf eine Anstellungsmöglichkeit bieten. Sprich du musst ein Feld wählen, in dem du gute Berufsaussichten hast, damit die anschließende Jobsuche aller Voraussicht nach erfolgreich verläuft.
Umschulung
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Welcher Beruf darf’s denn sein?

Beratung auf dem Amt

Ist für dich persönlich die Entscheidung gefallen, dass du nicht nur deine Arbeit wechseln willst, sondern dass du dich auch in einem komplett anderen Tätigkeitsbereich versuchen möchtest, sollte dich dein erster Weg zur Arbeitsagentur führen. Denn zunächst einmal musst du dich beraten lassen, und hier bist du an der richtigen Adresse. Gemeinsam mit ihnen analysierst du deinen bisherigen Werdegang, machst eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation und nennst noch einmal die Hauptgründe, warum du den Bereich wechseln möchtest oder musst.

Dann geht es an die Suche: Was willst du in Zukunft machen? Was liegt dir, was kannst du gut, was macht dir Spaß? Und, darauf werden die Beschäftigten der Arbeitsagentur ein besonderes Augenmerk legen: Welche Umschulungsberufe haben momentan eine möglichst große Chance auf ein späteres Anstellungsverhältnis? Denn die Arbeitsagentur hat natürlich vor allem ein (finanzielles) Interesse daran, Leute aus der Arbeitslosigkeit zu holen. Sie hält wertvolle Informationen und Tipps für Umschüler bereit. Da es in Deutschland so Usus ist, dass in fast allen Branchen ausgebildete Fachkräfte gesucht werden, kommst du um einen Ausbildungsabschluss im angestrebten Job kaum herum.

Beliebte Umschulungsberufe

Natürlich muss sich jeder individuell für einen bestimmten Umschulungsberuf entscheiden. Doch aufgrund der Arbeitsmarktsituation in gewissen Branchen lassen sich Trends hin zu einigen Berufsgruppen ausmachen. Die Arbeitsagentur veröffentlicht dazu laufend aktuelle Statistiken. Die momentan fünf beliebtesten Umschulungsbereiche (gleitender Jahresdurchschnitt; Datenstand Oktober 2019; Quelle: Bundesagentur für Arbeit) sind demnach:

  1. Altenpflege (15,8 %)
  2. Büro und Sekretariat (11,4 %)
  3. Erziehung, Sozialarbeit, Heilerziehungspflege (6,8 %)
  4. Fahrzeugführung im Straßenverkehr (6,6 %)
  5. Lagerwirtschaft, Post, Zustellung, Güterumschlag (4,1 %)

In diesen Branchen befinden sich momentan prozentual gesehen die meisten offiziellen Umschüler (Angaben in Klammern). Den Grund hierfür gibt die Situation am Arbeitsmarkt vor: Speziell im Bereich Altenpflege, aber auch bei den Erziehern und Sozialpädagogen ist der Bewerbermarkt aktuell wie leer gefegt. Deshalb stehen für dich hier die Chancen extrem gut, einen neuen Job zu ergattern, nachdem du die Umschulung erfolgreich beendet hast. Und das ist natürlich für viele, die sich mit dem Gedanken tragen, eine Umschulung zu beginnen, ein schlagkräftiges Argument. Allerdings musst du hier aufpassen: Schließlich dauert eine Umschulungsmaßnahme im Durchschnitt ca. zwei Jahre. Gerade, wenn die Arbeitsagentur spezielle Berufsbilder ein bis zwei Jahre lang mit geförderten Umschulungsmaßnahmen stark unterstützt, kommt irgendwann der „Knick“: Denn alle diese Umschüler drängen ca. zwei bis drei Jahre später in den Arbeitsmarkt. Und irgendwann ist dieser dann auch wieder gesättigt.

Andererseits ist die Arbeitsmarktentwicklung eine schwer vorherzusehende Thematik. Du müsstest fast schon über hellseherische Fähigkeiten verfügen, wolltest du dessen konkrete Entwicklung vorhersagen können. Denn dieser Markt unterliegt so vielen verschiedenen externen Einflüssen.

Umschulung ältere Arbeitnehmer
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Wie läuft die Umschulung ab?

In welcher Form die Umschulung abläuft, hängt immer individuell vom Berufsbild und auch vom Bundesland ab. Die Angebote sind hierzu sehr unterschiedlich. Mittlerweile ist jedoch zu erkennen, dass immer mehr Umschulungen nicht nur in Vollzeit, sondern auch in Teilzeit angeboten werden. Damit steht vor allem auch vielen Frauen, die Kinder zu betreuen haben, der Weg in diese Maßnahmen offen. Kann man Kurse auch abends besuchen oder via E-Learning online verfolgen, lässt sich die Umschulung sowohl mit Familie als auch mit einem Nebenjob besser vereinbaren. Der Markt der Weiterbildungsbranche ist groß, und es gibt mittlerweile unzählige private Institute, die entsprechende Kurse, Module und Lehrgänge anbieten. Wichtig ist es für dich, vorab zu klären, ob die gewählte Maßnahme bei diesem Anbieter mit einem Bildungsgutschein vom Amt förderfähig ist.

Am Beispiel des Erzieherberufs lässt sich erkennen, wie verschieden die Wege in diese Tätigkeit über eine Umschulung in Deutschland sein können. Hier gibt es große Unterschiede je nach Stadt oder Bundesland. Es gibt kostenlose Schulen, Privatschulen, die Gebühren erheben, und auch Schulen, die ihren Schülern Gehalt zahlen. Manche Umschulungen gehen nur in Vollzeit vonstatten, andere wiederum lassen sich berufsbegleitend in Teilzeit organisieren. Darüber hinaus stehen aktuell über 60 Fernlehrgänge zum Thema „Kindererziehung“ bei verschiedenen Umschulungsanbietern und Fernschulen zur Verfügung (siehe www.ratgeber-umschulung.de/soziales/erzieherin/).

Fazit

Glücklicherweise gilt es heutzutage nicht mehr als Makel, wenn man sich in seinem Leben öfter dazu entscheidet, die Weichen noch einmal neu zu stellen. So gesehen sollte man eine Umschulung immer als Chance für einen Neuanfang sehen: Sie gibt dir die Möglichkeit, noch einmal komplett neu durchzustarten. Vorab musst du dir viele Informationen besorgen, sowohl was die neue Berufswahl als auch die finanzielle Förderung der beruflichen Umschulung betrifft. Wichtigste Adresse ist in diesem Fall für dich die Bundesagentur für Arbeit.

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