Wie führen Frauen?
Stopp, kurzer Selbsttest: Wie viele Frauen arbeiten in deinem Unternehmen in Führungspositionen? Und wie groß ist der Anteil weiblicher Führungskräfte in eurem Management-Board? Führung ist in deutschen Unternehmen immer noch ein zum Großteil männlich dominierter Arbeitsbereich. Hat man jedoch eine echte Chefin gefunden, stellt sich die Frage: Führen Frauen eigentlich anders? Wir haben uns mal ein bisschen umgesehen und umgehört.
Inhaltsverzeichnis
Dass der Weg in die Führungsetagen von Firmen und vor allem großen Unternehmen für Frauen oft steinig ist, ist kein Geheimnis. Ob die fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das Prinzip der Kooptation (Organisationsmitglieder wählen Nachfolgerinnen oder Nachfolger immer nach dem Prinzip der größten Gleichheit aus) oder veraltete Rollenbilder – Frauen, die Chefin werden wollen, haben so einige Hürden zu überwinden.
Weiblich führen durch die Krise? Beispiel Corona
Diejenigen, die es an die Spitze geschafft haben, gelten jedoch nicht selten als leuchtende Vorbilder. Ein Beispiel: Gerade im Zuge der Pandemiebekämpfung während der ersten Coronawelle war viel von dem erfolgreichen Krisenmanagement der Regierungschefinnen die Rede: Taiwan, Neuseeland, Island, Finnland, aber auch Deutschland waren allesamt Länder, die sich hier zu Beginn der Krise auffallend gut schlugen. Ihnen gemeinsam: eine Frau an der Spitze der jeweiligen Landesregierung.
Deren öffentliche Rhetorik und Vorgehensweise in der Krise unterschieden sich deutlich von manch verbalem Gepolter männlicher Kollegen. Natürlich beeinflussen viele weitere externe Faktoren die tatsächliche Entwicklung in solch einer Krise. Aber das Führungsverhalten der weiblichen Leader war doch auffallend anders als das vieler männlicher Kollegen.
Ihnen wurde einhellig ein empathischeres Verhalten, ein inklusiver, aber auch sehr klarer Kommunikationsstil, und eine starke Wissenschaftsorientierung attestiert.
Ob das in einer Krise immer langfristig zum Erfolg führt, sei dahingestellt – auf jeden Fall war es auffallend anders.
Sind das vielleicht prinzipiell eher weibliche Führungskompetenzen?
Typisch männlich, typisch weiblich?
Das Problem bei dem Schubladendenken „typisch weiblich, typisch männlich“: Das Verhalten eines Menschen können Dutzende sowohl angeborene wie auch anerzogene oder gelernte Merkmale beeinflussen, nicht nur das Geschlecht. Deshalb ist es eigentlich nicht möglich, einen bestimmten Führungsstil als weiblich oder männlich zu klassifizieren.
Auch soziodemographische Merkmale können den Führungsstil einer Person beeinflussen. So stellt sich die Frage, ob zum Beispiel eine Offenheit für neue Technologien oder größerer Wagemut, unbekannte Wege zu gehen, unbedingt auf das Geschlecht der Führungskraft zurückgehen müssen, oder vielleicht auch einfach auf andere Faktoren, wie beispielsweise das Alter der Person oder das soziokulturelle Umfeld, in dem diese aufgewachsen ist. In diesem Stil können eben immer ganz unterschiedliche Merkmale eines Chefs oder einer Chefin für ihr Verhalten ursächlich sein; nicht immer muss hier zwangsläufig das Geschlecht den Ausschlag geben.
Trotzdem wird immer wieder versucht, Muster zu entdecken, die beim Führungsverhalten von Frauen eher auftauchen als bei dem männlicher Kollegen – und umgekehrt. Und natürlich könnte es auch sein, dass das Geschlecht einer von mehreren Faktoren ist, die Führungsverhalten beeinflussen.
Alphatier-Verhalten
Zumindest Vorurteile gibt es diesbezüglich ja viele. Von der „zickigen, kalten, knallharten Karrierefrau“ bis hin zur „empathischen, verständnis- und rücksichtsvollen Chefin“ ist die Bandbreite groß. Und auch die Wissenschaft kommt zu sehr unterschiedlichen Studienergebnissen. Interessantes ergab eine Untersuchung der Universität Hohenheim, die sich mit der Top-Management-Ebene großer Unternehmen in deutschsprachigen Ländern befasste. Diese kam zu dem Schluss, dass sich das Verhalten der Leader – ob männlich oder weiblich – gar nicht groß unterschied.
Überall in diesen Führungspositionen stießen die Wissenschaftler auf das typische Alphatier-Verhalten: dominant, kampfbereit, aggressiv.
Also ein relativ konformes Verhalten auf der obersten Führungsschiene. Das könnte heißen: Wer hier oben auf der Karriereleiter ankommen will, muss eben genau so sein. Egal, ob Männlein oder Weiblein.
Natürlich hat auch jeder von uns seine Erfahrungen mit verschiedenen Chefs gemacht. Wenn man selbst zurückblickt, auf seine bisherige Berufslaufbahn, fallen einem sicherlich viele verschiedene Führungsstile ein – unter männlichen Chefs wie auch weiblichen Vorgesetzten.
Kommunikation und Kontrolle
Wie spricht deine Chefin mit dir?
Arlett zum Beispiel hat solch einen klassisch dominanten Führungsstil bei einer ihrer Chefinnen erlebt. Sie ist seit über zwanzig Jahren in Funk und TV in der Medienbranche unterwegs, in erster Linie als Sprecherin, aber auch als Moderatorin.
Seit 2009 ist sie beruflich selbstständig; vorab aber durfte sie interessante Erfahrungen mit unterschiedlichen Führungsstilen machen. Und eines ist ihr dabei aufgefallen: Weibliche Chefinnen wählten oft eine unprofessionelle Form der Kommunikation – im Beruf. „Meine erste Chefin empfand ich in der Kommunikation als sehr übergriffig“, erzählt Arlett. Die Kommunikationsebene war sofort sehr privat, die Vorgesetzte habe auch in der Arbeit von ihren Männerbekanntschaften erzählt. Aber so wirklich befreundet sei man dann doch nicht gewesen. „In der beruflichen Führung habe ich sie als sehr hektisch und unorganisiert erlebt“, berichtet Arlett.
Auch eine andere Chefin hätte sich bei der Wortwahl öfter mal vergriffen. „Sie hat wirklich viele Schimpfwörter benutzt“, erinnert sich Arlett. Kritik konnte da durchaus verletzend ausfallen. „Es wurde immer gesagt: Die hat ein Problem mit Frauen“, erzählt Arlett. „Und ich hatte auch das Gefühl, dass sie mit den weiblichen Mitarbeiterinnen in einem ständigen Konkurrenzkampf war.“ Männer hingegen wurden von ihr in Meetings von vorneherein ernster genommen.
Ein wenig mehr Kommunikation hätte sich schlicht und ergreifend Manuel (Name von der Redaktion geändert) von seiner bisher einzigen weiblichen Führungskraft gewünscht. Er ist seit über zwölf Jahren als Ingenieur in der Elektronikentwicklung tätig und hatte in seiner Berufslaufbahn bislang neun verschiedene männliche Chefs – und nur eine Chefin. Und die erlebte er als sehr zurückhaltend, fast stumm. Manuel hätte sich gewünscht, dass gerade bei einem Neustart in einem noch unbekannten Unternehmen da etwas mehr Hilfe, Unterstützung und auch Kommunikation von Chefseite kommt. „Sie hat sich in der Anfangsphase sehr wenig um mich gekümmert“, erzählt er. Ansprechpartner im Unternehmen und die richtigen Aufgaben zu finden, sei da schon sehr mühsam gewesen – komplett auf sich allein gestellt. Ihm hat jegliche Unterstützung gefehlt.
Leider hat sich für Manuel an der Situation nicht viel geändert; auch nicht, nachdem er im Jahresgespräch mit der Chefin die für ihn unbefriedigende Situation angesprochen hatte. Er hat schließlich intern gewechselt, sobald sich die Chance bot.
Sozialverhalten und Vertrauen
Ganz andere Erfahrungen machte Maria in ihrer journalistischen Berufslaufbahn. Sie kann allen bisherigen Chefinnen ein recht gutes Zeugnis ausstellen. „Ich würde mindestens drei meiner bisherigen Chefinnen als sehr kompetent, professionell, aber auch sehr empathisch im Führungsverhalten charakterisieren“, erzählt sie. Das war bei den männlichen Vorgesetzten nicht immer so. „Manche von ihnen hatten echt irgendwie ein Problem damit, auf professioneller Ebene mit Frauen umzugehen“, so Maria. „Entweder, es ging gleich in die witzig-anzügliche Schiene, oder aber man konnte gar keine zwischenmenschliche Ebene mit ihnen aufbauen. Da mangelte es dann generell an sozialer Kompetenz“. Eine der weiblichen Vorgesetzten empfand sie allerdings auch als eher gefühlskalt und distanziert. Was Maria außerdem auffiel: Fast alle ihrer Chefinnen neigten dazu, alles noch einmal zu überprüfen und gegenzuchecken. Männliche Vorgesetzte ließen ihr da schneller freie Hand.
Auch Arlett muss ihren ehemaligen Chefinnen eher ein Kontrollproblem attestieren. „Beide Chefinnen, die ich hatte, konnten ganz schlecht Kontrolle abgeben“, erzählt sie. Jedes Detail wollten sie überwachen, immer dabei sein, mitbestimmen. „Sie haben gefühlt den leitenden Angestellten nicht genug vertraut bzw. zugetraut, um selbst loszulassen“, meint Arlett. Das hat sie bei ihren männlichen Vorgesetzten anders erlebt: Die haben sie zum Teil richtig gefeiert für ihre gute Leistung, und ihr da auch mehr Spielraum gelassen.
Zufall, oder nicht?
Natürlich sind das alles Einzelbeispiele. Aber sie machen vielleicht gerade eines deutlich: DIE weibliche Führung gibt es wohl eher nicht. Genauso wenig wie es DIE männliche Führung gibt. „Ich würde sagen, jede Frau und jeder Mann führt anders“, meint Manuel. „Jede Person geht ja anders an diese Aufgabe der Führung heran.“ Für ihn sei ein guter Vorgesetzter jemand, der die Aufgaben seiner Mitarbeiter gut einschätzen kann, der Prioritäten korrekt festlegt, den Mitarbeitern Raum gibt, sich zu entwickeln und der ein offenes Ohr für die Probleme seiner Beschäftigten hat. Also eine Mischung aus professioneller Anleitung, vertrauensbasiertem Freiraum und Empathie.
Auch Arlett betont mehrfach, dass das alles eben ihre ganz persönlichen Erfahrungen seien. Aber eines ist ihr doch aufgefallen: „Ich denke, Frauen können das generell nicht so gut: Andere Frauen hochleben lassen“, erklärt sie. Und das wäre doch eigentlich so wichtig: dass sich Frauen untereinander stärken, weiterhelfen, netzwerken und auch gegenseitig helfen. „Ich fände es schön, wenn da bei manchen weiblichen Führungskräften ein Umdenken einsetzen würde“, so Arlett. „Man kann doch die Mitarbeiterin auch als Sister in Crime oder Komplizin in der Businesswelt sehen, und sich mehr unterstützen.“
Hier erfährst du mehr zum Thema Female Empowerment.
Aber vielleicht formt ja auch der Karriereweg das Führungsverhalten. Manuel vermutet, dass die fehlende Kommunikation und Empathie seiner Chefin vielleicht darauf zurückzuführen sein könnte, dass man eben sehr „tough“ sein muss, um in der Männerdomäne Elektronikentwicklung Karriere zu machen – besonders als Frau. Das kann prägend sein.
Und: Ist man oben auf der Karriereleiter angekommen, muss man wohl generell aufpassen, dass man sich in dieser „Führungskapsel“ nicht zu sehr isoliert – und dabei den Kontakt zu seinen Mitarbeitern verliert. „Ich habe das Gefühl, dass in meiner Branche die ganz oberen Chefs gerne unter sich bleiben“, berichtet auch Arlett. „Das ist dann fast so wie ein erlesener Kreis, der mit dem ‚Fußvolk‘ auch gar nicht viel zu tun haben will.“ Aber das empfinde sie bei beiden Geschlechtern so; vielleicht sogar noch etwas stärker bei Männern.
Fazit
Führen Frauen denn nun anders? Vermutlich führen Menschen einfach anders; je nachdem, welche Erfahrungen sie bislang gemacht haben, welchen Charakter sie mitbringen, und wie sie sich auch bislang im Beruf Verhalten haben. Jeder von uns legt sein individuelles Führungsverhalten an den Tag. Das allerdings kann natürlich geprägt sein von Erlebnissen, die man selbst im Rahmen seiner Karrierelaufbahn gemacht hat. Und sicherlich muss man gewisse Eigenschaften an den Tag legen, um überhaupt in eine Führungsposition zu gelangen – egal, ob Mann oder Frau.
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Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form (generisches Maskulinum), z. B. „der Mitarbeiter“. Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung. Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und ist wertfrei.
Veronika ist Redakteurin und Content-Managerin. Sie hat Kommunikationswissenschaften, Arbeits- und Organisationspsychologie sowie Französische Sprachwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München studiert und ist bereits über 15 Jahre journalistisch in Print und online unterwegs. Für careeasy – Dein Karriere-Magazin von stellenanzeigen.de recherchiert und schreibt Veronika zu Themen rund um Studium & Ausbildung, Karriere, Gesundheit im Job und Arbeitsrecht.